Alte Sketche Annemarie Klinger Die große Zeit des Komikerduos Willie und Al aus Neil Simons trauriger Komödie "Sonny Boys" in den Wiener Kammerspielen war die des amerikanischen Vaudeville; Tag für Tag lieferten sie zum Gaudium des Publikums ihre Sketche ab, ertrugen einander 45 Jahre lang und als der eine ging, war auch der andere aus dem Geschäft geworfen. Eine Nostalgie-show führt sie elf Jahre danach noch einmal zusammen. Mit Otto Schenk und Helmuth Lohner in den beiden Hauptrollen wird ihr Wiedersehen zum minutiös, in allen denkbaren Facetten erspielten, bitter-komischen Duell über den Abgrund einer jahrelang gepflegten Haßliebe. Gernot Friedels Inszenierung hat das Stück mit all seinen anderen Figuren liebevoll um die beiden Stars arrangiert: Dezent und dem berührenden Spiel der beiden seinen Lauf lassend.
Klassische Zitate Michael Krassnitzer In "The Rake's Progress" ("Der Wüstling") hat Igor Strawinsky 350 Jahre Operngeschichte Revue passieren lassen. Das derzeit in der Wiener Kammeroper am Spielplan stehende Werk ist als klassische Nummernoper gebaut, Arien und Rezitative wechseln sich ab. Von Barock bis Verismo zitiert Strawinsky so gut wie alles, besonders Mozart und Verdi klingen des öfteren an. Auch die Handlung der 1951 uraufgeführten Oper ist klassisch: Ein junger Mann (Wright Moore) verkauft seine Seele aus Dummheit und Schwäche versehentlich dem Teufel (Richard Byrne). Am Ende ist sein Leben zerstört, er verfällt dem Wahnsinn, doch durch die Liebe zu seiner ehemaligen Verlobten (sehr gut: Mari-Kjersti Tennfjord) wird wenigstens seine Seele gerettet. Interessant.
Verzerrte Sprichworte Michael Krassnitzer Johann Nepomuk Nestroy auf französisch - dieses diffizile Unterfangen glückte vor einer Woche dem Schweizer Theaterensemble "Spectaclexpo" im Wiener Studio Moliere. Dem Einakter "Frühere Verhältnisse" ("Les affaires du passe"), dem vorletzten Stück des "Wiener Aristophanes", ist dabei freilich das Lokalkolorit abhanden gekommen, Nestroys Stilmittel, wie etwa Verzerrung von Sprichworten, Wortschöpfungen und die oft skurrile Begegnung von geschraubter und volkstümlicher Sprache, hat Übersetzer Jörg Stickan jedoch übernehmen können. Herausgekommen ist bei dieser französischsprachigen Uraufführung eine beißende Gesellschaftssatire über Arrivismus und Habgier, Moliere nicht unähnlich, allerdings in einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft, in der Herren zu Dienern und Diener zu Herren werden können.
Echte Ohrwürmer Helga Reichart Im Großen Haus des Tiroler Landestheaters tobte das Publikum vor Begeisterung und zerdrückte auch schon mal ein Rührungstränlein! Zweifellos hat Jerome Robbins' "West Side Story" - Musik: Leonard Bernstein - nichts von ihrer Faszination und ihrer traurigen Aktualität eingebüßt: Jugendliche Bandenkriege als kompensatorische Spielchen, die Gang als Familienersatz, Gewalt als Ventil für pubertäre Energien werden von Vernon Mound vor eine signalhafte New-York-Kulisse geworfen. True Love erblüht zwischen einer auch stimmlich berührenden Cornelia Hosp und Stephen Chaundy. Voller Sturm und Drang das Großaufgebot an Darstellern, superb kredenzt die Musik mit den Ohrwürmern aus den Fünfzigern.
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