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Zwangsarbeiter

kammerspiele, linz

Vom Untermenschen im Dritten Reich zum Paria in der Heimat: Der Linzer Psychologe Kurt Fallend suchte im Auftrag der VOEST nach überlebenden Männern und Frauen verschiedener Nationalität, die am Standort Linz der "Reichswerke Hermann Göring AG Berlin" als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Er fand 38 Zeitzeugen im Alter zwischen 70 und 80 Jahren, die bereit waren, erstmals aus ihrem Leben zu erzählen. Aus diesen protokollierten Lebensumständen der einzelnen Menschen vor und nach ihrer Zwangskasernierung in Linz entstand neben einem Buch das Theaterstück "An wen soll ich schreiben? An Gott?".

Es ist eine aus der Dokumentation herausgefilterte Collage für fünf Personen, in der jeder Satz authentisch ist. In den Linzer Kammerspielen erlebte sie in der hoch sensiblen Inszenierung von Nikolaus Büchel ihre ebenso beeindruckende wie tief berührende Uraufführung. Sigrun Schneggenburger, Gerhard Brössner, Karl M. Sibelius, Daniela Wagner und Vasilij Sotke gestalteten in aller Schlichtheit Menschen, die bis heute an ihren seelischen Verletzungen und Traumata leiden, umso mehr, als man sie nach ihrer Repatriierung in die Sowjetunion als Verräter behandelt hatte.

Margret Czerni

Striptease

gruppe 80, wien

"Ganz oder gar nicht" im Künstlermilieu: In Gustav Ernsts Farce "Strip", soeben von der Gruppe 80 in Wien uraufgeführt, beschließen drei erfolglose Autoren mittels einer von ihnen selbst bestrittenen Striptease-Show auf ihre Texte aufmerksam zu machen. Die drei (Susanne Rader, Robert Vollmer und Klaus Fischer) fügen sich zusammen mit einem Filmemacher (Jörg Stelling), einem Kulturkritiker (Franz Robert Ceeh) und einem Chauffeur (authentischer Proletencharme: Karl Wozek) der Tatsache, dass heutzutage so gut wie alles publicitywirksam und aufsehenerregend aufbereitet werden muss.

Diese Erkenntnis setzt auch der Autor des Stückes selbst um: Ernst verpackt die Schilderung der tristen Situation vieler österreichischer Künstler und massive Kritik an der Kulturpolitik in eine mitreißend komische Geschichte, die von den Darstellern unter Regisseur Erhard Pauer mit komödiantischer Bravour auf die Bühne gebracht wird. Trotz sprühender Pointen und des professionellen Show-Finales mit einem nachdenklich stimmenden Ende. Tolles Theater!

Michael Krassnitzer

Frauenfiguren

konzerthaus, wien

"Das ewig Weibliche zieht uns hinan", heißt's in Goethes "Faust" - eine Kraft, der sich auch die "Resonanzen" nicht entziehen können. Das Alte Musik-Festival im Wiener Konzerthaus steht von 19. bis 27. Jänner unter dem Motto "Das ewig Weibliche", versucht aber, den Transport überkommener Frauenbilder zu vermeiden.

Zu Beginn der "Resonanzen" steht die selbstbewusste Salome im Zentrum, nämlich bei der Aufführung des Oratoriums "San Giovanni Battista" (1675) von Alessandro Stradella, einer verkappten Oper. Es spielt das Ensemble La Stagione Frankfurt, es singt unter anderen Gérard Lesne. Das Abschlusskonzert steht ganz im Zeichen der Opern von Georg Friedrich Händel, der sich häufig von der Figur der "verlassenen Zauberin", so der Titel des Abends, inspirieren ließ, etwa in "Alcina", oder "Teseo". Es spielt Il Complesso Barocco, es singen Simone Kermes sowie Gloria Banditelli und es rezitiert niemand geringerer als die Erfolgsautorin Donna Leon.

Michael Krassnitzer

Das alte Lied virtuos angestimmt

kasino am Schwarzenbergplatz, wien

Wenn die Beziehung aufhört, beginnt die Arbeit. Und sie strampeln sich redlich und ebenso vergebens ab, die beiden Ex-Singles in Sibylle Bergs amüsanter Komödie "Hund, Frau, Mann" im Wiener Kasino am Schwarzenbergplatz. Halb Persiflage halb Trauerspiel stimmt die in Zürich lebende Autorin virtuos das alte Lied an. Ein Mann und eine Frau lernen einander kennen, verlieben sich, versuchen ein gemeinsames Leben, trennen sich, hoffen auf eine Versöhnung.

Es ist ein Muster mit Wiederholungspotential, nur dass es diesmal aus der Perspektive eines Hundes erzählt wird. Er läuft dem jungen Paar bei der ersten Begegnung zu und formuliert das Seine zu einem Spiel, das er aus der Distanz beobachtet und kommentiert.

Behäbig, distinguiert und mit gelegentlichen treuherzigen Dackelblicken an zweckmäßiger Stelle verkörpert Hanspeter Müller den Vierbeiner. In Sigi Mayers kargen Bühnenraum ist er Ruhepol und Sündenbock zwischen den beiden komisch-tragischen Beziehungskämpfern, die es durch das Auf und Ab ihrer Emotionen schleudert. Mit einer gehörigen Portion Ironie lassen sich Sabine Haupt und Edmund Telgenkämper auf ihre Figuren ein: die Frau, die stets Kompromisse eingeht, der Mann, den es wieder in die Freiheit zieht. So klischeehaft wie treffend. Und eine Videokamera (Nives Widauer) rückt allen dreien mit Live-Bildern und Seelenlandschaften ganz nah.

Wenn sich vor der Aufführung x-fach vergrößerte Hundeflöhe auf der Leinwand tummeln, ahnt man es bereits: dem Übermut sind in Stephan Müllers Inszenierung wenig Grenzen gesetzt. Allerdings zeichnet sie sich auch durch mitreißenden Humor und Präzision aus.

Annemarie Klinger

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