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Enzensbergers Titanic Hans Magnus Enzensbergers "Der Untergang der Titanic", ein ungeheuer komplexes Textgebilde, das, den Untergang des Luxusdampfers symbolhaft gebrauchend, postmoderne Zeitstimmung inklusive des Schiffbruches des eigenen Weltbildes einfängt, geht in der Wiener "Gruppe 80" demonstrativ kühl über die Bühne. Das ist im Ansatz legitim. Trotzdem kommt man nicht umhin Ratlosigkeit zu bemerken. Wo George Taboris maßstabgebende Uraufführung von 1980 eigene, mit dem Text assozierende Bilder fand, exekutiert Klaus Fischers Inszenierung diesen, indem er das Ensemble meist angemessenen Schrittes über die Bühnenschräge eilen oder in Standbildern verharren läßt. Momente von atmosphärischer Dichte gelingen in den 33 Gesängen, wenn einzelne sich freispielen, vor allem Krista Pauer, Alexander Lhotzky oder Alfred Schedl. Annemarie Klinger Mezgolichs Strindberg "Vor lauter Freiheit kein Erbarmen" kennt kein Erbarmen. Die Produktion des Wiener L.U.S.Theaters reißt erbarmungslos mit. Margit Mezgolich hat ihr Stück frei nach August Strindbergs "Der Vater" so stimmig inszeniert, daß kein Wunsch offen bleibt. Aus einer überdimensionalen Bettlandschaft tauchen die Geister der Siebzigerjahre-Familienhölle aus der Erinnerung Berthas (Barbara Horvath) auf. Zur Feier ihres 30. Geburtstages kehrt sie, orientierungslos und depressiv, an den Ort ihrer Kindheit zurück. Ein bunter Pullover, den sie als 14jährige bekam, findet sich. Durchzogen von humorvoll interpretierter Schlagermusik beginnt die in überdominante Pseudoliebe eingebettete Zerstörung der Pubertierenden. Ekstatischer Applaus am Premierenabend für eine überragende Ensembleleistung, die unter die Haut geht. Isabella Marboe Reicharts Afrika Elisabeth Reichart meint es gut mit ihrer skurrilen Groteske "Afrika. Eine Einbildung", die im Wiener Theater Drachengasse Bar&Co uraufgeführt wurde. Sie will Vorurteile entlarven, Generationen-, Emanzipationsprobleme und anderes mehr aufzeigen. Ihr Konstrukt um drei Frauen, denen die Rückkehr des seit zwölf Jahren totgeglaubten Mannes beziehungswiese Schwiegersohns und Vaters samt seiner, inzwischen neu erworbenen, vielköpfigen Stammesfamilie aus Afrika "droht", nimmt sich freilich allzu seltsam und unzulänglich aus. Regisseurin Christine Wipplinger scheitert nicht ohne Widerstand. Mit Brigitte Antonius (Oma), Paola Aguilera (Tochter), Sibylle Gogg (Enkelin) gelingt es ihr, für ein flüchtiges Amüsement zu sorgen. Annemarie Klinger Mitterers Torberg Friedrich Torbergs "Der Schüler Gerber", Protokoll einer Hinrichtung im Schlachthof Schule, hat trotz emanzipatorischer Pädagogik nichts an Aktualität eingebüßt. Dem Jugendtheater "Next Liberty" der Grazer Bühnen ist mit dem Auftrag an Felix Mitterer, den Roman zu dramatisieren, ein glänzender Coup gelungen. Mit Respekt folgt der bekannte Autor der Vorlage, akzentuiert die Liebesgeschichte nur flüchtig und komprimiert geschickt das tragische Geschehen zum bruchlosen szenischen Ablauf. Die begeistert akklamierte Uraufführung unter Michael Schilhan - mit einer riesigen Schultafel als Schauplatzrahmen und großem Engagement der jungen Darsteller - läßt ein neues "Kultstück" prophezeien. Rudolf Kellermayr

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