Kultur kann Berge versetzen

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Einst war Bad Gastein einer der elegantesten europäischen Kurorte. Die Kurgäste - das Who is Who aus Kultur, Politik und Gesellschaft -wusste den Mix aus Naturkulisse und großstädtischer Eleganz zu schätzen. In der Nachkriegszeit versuchte man, die Hotels mit Wintersportlern, Beamten und Krankenkassenpatienten zu füllen. Investiert wurde in die alte Bausubstanz so gut wie nichts. Als Kuren selbst bezahlt werden mussten und auch der kleinste Gemeindebedienstete lieber in der Karibik surfte, wurde der Ort durch politische Ignoranz und Immobilienspekulationen dem Verfall preisgegeben.

Jetzt, da die Welt wieder kleiner, das Geld knapper und Hirn wieder gefragt ist, könnte die Wende einsetzen. Seit sechs Jahren veranstaltet der Fremdenverkehrsverband gemeinsam mit der Kulturmanagerin Andrea von Götz international besetzte Kunstresidenzen. Die Welt berichtete bereits von einem unerwarteten Hype um ein "kleines Alpendorf": Gastein wäre das Gegenprogramm zu Ischgl, wo man sich zu DJ Ötzi beim Aprés-Ski besinnungslos betrinke.

Tatsächlich sind viele Künstler dem Charme morbider Eleganz verfallen. In ihren in Gastein entstandenen Werken spiegeln sich Bergwelt und Weltuntergang gleichermaßen. Ihre Präsenz hat neue Investoren angelockt und das eine oder andere Gebäude vor dem Verfall gerettet. Dennoch ist der bauliche Zustand der historischen Gebäude im Ortszentrum desaströs. Die Ausrede der Politiker, dass sie einem privaten Spekulanten gehören, kann nicht mehr gelten. Schließlich hatten sie einst dem Verkauf zugestimmt. Kunst kann Berge versetzen und die Versäumnisse der Politik aufzeigen. Sie hat Bad Gastein wieder ins Interesse der Weltöffentlichkeit gebracht. Österreich kann sich den Verfall dieses Gesamtkunstwerkes, das mit Geschichte und Schicksal des Landes verbunden ist, nicht leisten. Es wäre eine Schande.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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