Kunst auf der Messe

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Die Art Cologne fand heuer zum 50. Mal in Köln statt. Für den Kunstmarkt sind Messen wie diese - weltweit gibt es mittlerweile mehr als 250 - von großer Bedeutung.

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Die Art Cologne fand heuer zum 50. Mal in Köln statt. Für den Kunstmarkt sind Messen wie diese - weltweit gibt es mittlerweile mehr als 250 - von großer Bedeutung.

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Schon vor dem Eingang der 50. Ausgabe der Kunstmesse Art Cologne werden die Besucher mit einem Rückblick begrüßt. In ihrer Schau "Eins, zwei, Wechselschritt" wählten die Kuratorinnen Stella Lohaus aus Antwerpen und die Niederländerin Ellen de Bruijne aus jeder Dekade je ein Werk eines niederländischen, belgischen und deutschen Künstlers bzw. einer Künstlerin. Eine der auffallendsten Arbeiten stammt vom belgischen Konzeptkünstler Wim Delvoye: eine Reihe von nebeneinander stehenden Bügelbrettern, auf die Delvoye mit Lackfarbe national aussehende Symbole gemalt hat, die poetischste wohl von seinem Landsmann Marcel Brodthaers, ein schwarz-weißer 16mm-Film mit dem Titel "La pluie. Projet pour un texte", in dem der Künstler vergeblich unter strömendem, künstlichem Regen zu schreiben versucht.

Die Kölner Messe hat von Anfang an von ihrer Position am Dreiländereck profitiert und sie gelebt. Sowohl auf Künstler- wie auch auf Sammlerebene gab es vor allem zwischen den Metropolen Köln, Düsseldorf, Amsterdam und Antwerpen hier schon immer einen regen Austausch. Die Tradition reicht übrigens weit zurück: Rubens verbrachte seine ersten Lebensjahre in Köln. Zudem war und ist das Rheinland mit dem angrenzenden Ruhrgebiet traditionell eine der reichsten und mit Museen und kulturellen Institutionen außerordentlich gut bestückte Region im deutschsprachigen Raum.

Zugang zu Kunst erleichtern

Die Spezialschau "Art Cologne 1967-2016. Die erste aller Kunstmessen" des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels (ZA-DIK) zeigte die "Wechselschritte" der Messe selbst: 1966 gründeten die Galeristen Rudolf Zwirner und Hein Stünke den "Verein für progressive Kunst", ab dem 18. September 1967 überließ man ihnen und 16 weiteren Galeristen die ehrenwerte historische Kölner Festhalle Gürzenich. Die Übertragung des uralten Messekonzepts auf die Kunst war auf Anhieb erfolgreich, eine Million Mark Umsatz und 15.000 Besucher verzeichnete der "Kunstmarkt Köln 67".(Das von Robert Indiana gestaltete Plakat von damals konnte man im Übrigen bei der auf Pop-Art spezialisierten Galerie Benden um 2200 Euro erwerben.)

Er wollte den Zugang zu Kunst erleichtern, erzählte Rudolf Zwirner dem Deutschlandfunk, und die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst beleben. Breitere Schichten, so Zwirner, konnten damit zum ersten Mal Kunst anfassen und sie sogar kaufen. Bald gab es Nachahmer, 1970 fand die erste Art Basel statt. Heute gibt es weltweit mehr als 250 Kunstmessen.

Immer wollten mehr Galerien an der Messe teilnehmen als möglich war und ist, meinte der Kurator der ZADIK-Ausstellung, Rudolf Herzog, bei der Präsentation des Begleitbuchs auf der Messe. Und immer wurde das beklagt. Eine Auswahl sei aber gut und wichtig, denn das sporne die Nicht-Teilnehmer zu innovativen Reaktionen und mitunter Gegenveranstaltungen an und sei auch Garant für gute Qualität. Walther König, wichtigster Kunstbuchhändler im deutschsprachigen Raum und seit Anfang bei der Messe dabei, erinnert daran, dass Köln Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre im Bereich der zeitgenössischen Kunst als internationale Kunststadt mit keiner anderen Stadt vergleichbar war. Amerikanische Künstler wie Gary Kuehn oder Carl Andre kamen auf Einladung ihrer Galeristen mehrere Wochen, mitunter Monate in die Stadt, um hier aktiv zu sein. Mit der Wende und der zeitweisen Verlagerung der Kunstszene nach Berlin wurde es schwierig für Köln. Gérard Goodrow, glückloser Leiter der Messe von 2003-2008, initiierte kurzzeitig einen Ableger in Palma de Mallorca, eine Reaktion auf die Expansion der Konkurrenzmesse Art Basel nach Miami. Man befürchtete, sogar die Vorherrschaft in Deutschland zu verlieren, und als Kölner Galeristen mit Messeboykott drohten, engagierte man Daniel Hug, vormals Galerist, Berater und Kurator im Messebereich. Nach und nach gelang es ihm, die Messe wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Lukratives Geschäft

Wie wichtig Kunstmessen geworden sind, zeigt der diesjährige "Art Market Report", die wohl umfassendste und verlässlichste Analyse des Kunstmarktes, verfasst von der Kulturökonomin Clare McAndrew aus Dublin für die ehrwürdigste und eleganteste aller Kunstmessen, der TEFAF, European Fine Art Fair in Maastricht. Demnach hat das Galeriegeschäft immer noch den größten Anteil am internationalen Kunstmarkt, dessen Gesamtvolumen im Jahr 2015 63,8 Milliarden Dollar betrug, etwas weniger als das historische Hoch von 68,2 Milliarden Dollar im Jahr zuvor. 82 Prozent des gesamten Kunstmarktes spielen sich in den USA (43 Prozent), Großbritannien (21 Prozent) und China (19 Prozent) ab - nicht zuletzt, weil die großen Auktionshäuser in London und New York zu Hause sind. In den letzten Jahren hat das Konzept Messe an Bedeutung zugenommen, rein monetär gesprochen: Seit 2010 sind die Verkäufe um 49 Prozent gestiegen, in absoluten Zahlen wurden 2015 schätzungsweise 12,5 Milliarden Dollar umgesetzt.

Laut Bericht machen die Galerien 40 Prozent ihres Umsatzes bei internationalen und lokalen Messen. Wenn man mit Galeristen spricht, merkt man schnell, dass es sehr schwer zu beziffern ist, wie groß der Anteil des Messegeschäftes tatsächlich ist. Oft ergeben sich nur Kontakte, der Kauf wird erst nach der Messe getätigt.

Von den insgesamt 218 Galerien der Art Cologne kommen zwar nur 13 aus Österreich, diese spielen jedoch eine wichtige Rolle. Gleich im Eingangsbereich hat Thaddäus Ropac aus Salzburg einen der besten Standplätze. Vor zwei Jahren gewann Rosemarie Schwarzwälder von der Galerie Nächst St. Stephan den alljährlich vergebenen Galeriepreis. Und die teuersten Gemälde in diesem Jahr waren bei Thomas Salis aus Salzburg zu finden: ein Chagall und ein Fernand Léger. Johannes Faber aus Wien präsentierte wiederum wunderbare Fotografien und eine Arbeit von Christian Boltanski, eine Art Collage über einen Unfall, den er noch nicht hatte, bei dem er aber sein Leben verliert. Faber, Nächst St. Stephan und Salis waren auch auf der TEFAF in Maastricht vertreten, die alljährlich im März stattfindet und in diesem Jahr in die USA expandiert.

Auch für Künstler bedeutsam

Herausragend ist die Galerie Bernd Kugler aus Innsbruck. Kugler legt großen Wert auf langjährige und enge Zusammenarbeit mit seinen Künstlern, die er meist exklusiv vertritt. Man spürt, dass es ihm vor allem um die Kunst geht. Diesmal zeigt er Arbeiten des deutschen Künstlers Tobias Hantmann aus drei verschiedenen Serien, die dem Anschein nach ziemlich disparat sind: eine Malerei auf Spannteppich, entstanden ganz ohne Farbe, ein Ensemble von Topfdeckeln und eine Fotoserie, die den Titel "Vor dem Hintergrund" seiner am 29. April beginnenden Einzelausstellung in Innsbruck gewissermaßen wörtlich nimmt. Man sieht ein auf den ersten Blick nicht erkennbares Hinterteil. Für Kugler sind Messen sehr wichtig, genau beziffern kann er den Anteil an seinem Umsatz nicht. Außer an wenige lokale Stammkunden verkauft er die meisten Werke ins Ausland, bis in die USA - dorthin hat er beispielsweise Hantmanns Arbeiten verkauft.

Robert Zwirner, Erfinder des Konzepts Kunstmesse, klingt angesichts des Jubiläums etwas kritisch: Das Interesse der Bevölkerung zu wecken, um Galerien zu stützen, sei nicht erreicht worden. Die Kunsthändler, die sich eine Messeteilnahme nicht leisten können, hätten das Nachsehen, denn die Sammler konzentrieren sich auf diese, anstatt die Galerien an ihren Standorten aufzusuchen. Für seinen Sohn David, aktuell einer der international erfolgreichsten Galeristen mit zwei Standorten in New York und London, scheint sich das Konzept bewährt zu haben: Nur wenige Galerien schaffen es wie er, an zwanzig Messen in einem Jahr teilzunehmen.

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