Kunst der Vereinnahmung
Mit der Ausstellung "Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol" widmet sich das Tiroler Landesmuseum der längst überfälligen Aufarbeitung dieses Themas.
Mit der Ausstellung "Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol" widmet sich das Tiroler Landesmuseum der längst überfälligen Aufarbeitung dieses Themas.
Die Art und Weise, wie Ausstellungskurator Günther Dankl in braune Zeiten zurückschaut, geschieht aus sicherem zeitlichem Abstand höchst differenziert. Beleuchtet wird in sechs Kapiteln die Situation von Kunst und Tiroler Künstlern während der NS-Zeit, lavierend zwischen feigem Opportunismus, aktivem Widerstand und unverhüllter Begeisterung für das Regime. Wobei bei letzterer Spezies so manche Künstlernamen auftauchen, die diesbezüglich bisher als komplett unverdächtig galten. Etwa der des Tiroler Superstars der Moderne, Max Weiler, dessen "Bauernfamilie"(1941) ganz dem zweifelhaften Ideal der heilen, in heimatlichem Grund und Boden verwurzelten Familie huldigt. 17 Jahre später hat Weiler eine zweite, nun zu abstrakten Zeichen "Verwandelte Bauernfamilie" gemalt, gerade so, als wolle er sich damit von seiner frühen NSDAP-Mitgliedschaft reinwaschen.
Diese beiden monumentalen Bilder sind neben rund 150 anderen Gemälden, Zeichnungen, Fotografien, Dokumenten und Skulpturen in der architektonisch raffiniert vom Innsbrucker Architektenkollektiv columbosnext inszenierten Schau zu sehen. Spielend etwa mit einem in die Tiefe gestapelten Rastersystem, das wohl suggerieren soll, dass hier vieles lange Verschwiegenes aus tiefen Archiven geholt wurde.
Kunst und Propaganda
Bereits beim Einstieg in die Schau wird der Besucher hautnah 80 Jahre zurückgeworfen: als am 12. März 1938 eine jubelnde Menge in dem mit Hakenkreuzfahnen beflaggten Innsbruck den einmarschierenden deutschen Truppen zujubelte. Nun war die Stunde gekommen für Künstler, die wie Hubert Lanzinger, Franz Schwetz, Heinrich C. Berann oder Ernst Nepo für die braune Ideologie brannten, ihre pathetisch zelebrierten Hitlerbilder bzw. ideologisch eindeutigen Historienschinken öffentlich zu machen. Im nächsten Kapitel wird es dunkel. Es ist Krieg, die Künstler werden freiwillig oder unfreiwillig zum Werkzeug der Propagandamaschinerie. Beschworen werden von professionellen Kriegsmalern wie Franz Eichhorst auf anachronistische Weise arisches Heldentum und unerschütterliche Kameradschaft, während an die Front abkommandierte malende Soldaten schonungslos den Wahnsinn des Krieges dokumentieren, sofern sie sich nicht in die landschaftliche Idylle flüchten.
In der landesmusealen Schau gehe es nicht um "die Zuweisung von Schuld, sondern um das Aufzeigen von Strukturen und Mechanismen, die dazu führten, Kunst gezielt als Instrument ideologischer Propaganda missbrauchen zu können", sagt Kurator Günther Dankl. Ein wichtiger Faktor ist in diesem Zusammenhang die existenziell schwierige Situation der Künstler in einer Zeit, in der sämtliche vor 1938 bestehende Künstlervereinigungen in der Reichskunstkammer als einziger Berufsvertretung aufgingen. Bei der naturgemäß nur Mitglieder akzeptiert wurden, die arisch und politisch zuverlässig waren und deren Kunst dem nationalsozialistischen Schönheitsideal entsprach. Wie das aussah, wurde in den zwischen 1940 und 1944 jährlich im Tiroler Landesmuseum ausgerichteten Gaukunstausstellungen vorgeführt. Eine Ahnung davon vermittelt eine kleine Schau in der Schau. Ein schmales Kapitel ist auch den "Entarteten" wie Werner Scholz, Hilde Goldschmidt oder Johannes Troyer gewidmet, die sich in die innere Emigration zurückzogen oder das Land verließen. Erstaunlicherweise wurde auch die Kunst von Artur Nikodem trotz seiner frühen NSDAP-Mitgliedschaft als "entartet" klassifiziert, weshalb er - wie auch der anfangs von den Nazis vereinnahmte Alfons Walde -zwischen 1938 und 1945 mit Ausstellungsverbot belegt war. In der Schau werden aber auch Listen von Kunstwerken gezeigt, die jüdischen Sammlern enteignet wurden und derer sich die Museen bedienen konnten. Zu sehen ist andererseits auch ein Teil der Sammlung Fohn, die im Tausch von unverfänglicher Kunst aus dem 19. Jahrhundert gegen "Entartetes" u. a. von Heckl, Schmidt-Rottluff und Kirchner entstanden ist. Der Parcours endet in den Vernichtungslagern, bei den erst vor drei Jahren aufgetauchten, in Dachau und Mauthausen entstandenen Blättern von Harald Pickert, vollgezeichnet mit Gefolterten und Leichenbergen, deren Körper so gar nicht dem arischen Menschenbild entsprechen.
Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol Tiroler Landesmuseen, bis 7. April 2019 Di-So 9-17 Uhr, www.tiroler-landesmuseen.at
Zwischen Gaukunst und Moderne
Max Weilers "Bauernfamilie" entspricht den nationalsozialistischen Vorstellungen von Familie und Heimat. 17 Jahre später schuf der Tiroler Star der Moderne eine abstrakte Version dieses Sujets. Beide Bilder sind neben rund 150 anderen Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen in der aktuellen Schau zu sehen.
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