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Wer in diesem Sommer in Europa herumgekommen ist, dem zeigte sich überall das gleiche Bild: Jeder Landstrich, jede Stadt, die etwas auf sich hält, versieht sich mit Geschichte, vor allem mit Kunstgeschichte, und pflegt den schönen Rückblick mit zahllosen Museen. Manche sind eine Zuflucht der Touristen bei Schlechtwetter, manche enthalten Werke, "die man gesehen haben muss", will man nicht zu Hause als Banause dastehen. Wer kann es sich leisten, in Paris oder Florenz gewesen zu sein, ohne Leonardos Mona Lisa oder Botticellis Frühling bestaunt zu haben? Die großen Kunstsammlungen werden flankiert von Prunkräumen, lokalhistorischen, technischen, Handwerks- und Heimatmuseen.

Was frühere Generationen gestaltet haben, soll nun der "Allgemeinheit" zugänglich sein. Wie kommt es, dass mich dieses hehre Motiv immer weniger motiviert? Im toskanischen Volterra bekomme ich Serien von etruskischen Steinsärgen vorgeführt; ein einziger davon bei mir zu Hause würde geehrt und beachtet, er hätte weitaus größere Bedeutung, als er sie für vorbeiziehende Touristenscharen jemals gewinnen kann.

Jeder Kunstgegenstand gehörte einmal dem Künstler und seinem Auftraggeber, einem Sammler und seinen Gästen. Das Werk "redete" mit ihnen. Freilich, die "Allgemeinheit" hatte nichts davon. Wird es ihr zugänglich gemacht, so um den Preis des Verstummens. Die Prunkräume sind unbewohnt, die Kunstwerke aus den Lebenszusammenhängen ausgewandert, die schönen alten Dinge dürfen nicht berührt werden.

Ich empfinde die museale Verallgemeinerung zunehmend als eine Form der Enteignung und gestehe, dass ich diesen Sommer vor manchem Museumsportal unschlüssig war und mich dann doch lieber auf die Piazza gesetzt und ein Eis bestellt habe.

Der Autor ist freier Journalist und war Leiter der Abteilung Religion im ORF-Fernsehen.

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