Kunst gegen Konventionen

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"Georg Baselitz. Gemälde und Skulpturen 1960-2008" ist der Titel einer aktuellen Retrospektive im Salzburger Museum der Moderne. Mit 54 Bildern und fünf Skulpturen werden die wichtigsten Werkgruppen sowie die künstlerische Entwicklung des Malers gezeigt.

Als Georg Baselitz 1969 den "Kopfstand" für seine Malerei erfand, bescherte diese motivische Umkehr dem Betrachter eine ungewohnte Wahrnehmung des Bildgegenstandes, dem Künstler jedoch eine neue malerische Freiheit. Diese "Methode", wie er es selbst nennt, wurde zum Markenzeichen einer leicht wiedererkennbaren Bildsprache, eine Methode, die er auch jetzt noch einsetzt.

Als Hans-Georg Kern 1938 in Deutschbaselitz (Sachsen) geboren, wird der Kunststudent 1957 wegen "politischer Unreife" von der Hochschule in Ost-Berlin verwiesen; er nützt die Chance, die damalige DDR zu verlassen, um sich im Westen künstlerisch zu orientieren. Gleichwohl wird 1963 seine erste Ausstellung nach dem Studium in West-Berlin mit der Beschlagnahmung zweier Bilder zum Debakel.

Aus dem Geist des Widerspruchs und der Provokation speist Georg Baselitz die Wucht seiner Werke, eine beharrliche Arbeit gegen malerische und inhaltliche Konventionen, entgegen den zeitgenössischen Ismen (aber sehr wohl in Kenntnis der Kunstgeschichte) und stets in Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und mit dem Zeitgeschehen, das sie geprägt hat.

Dumpf-fleischliche Körperfragmente

Mit einer auf 54 Gemälde und fünf Skulpturen konzentrierten Auswahl hat das Museum der Moderne in Salzburg eine sehr gut gehängte Retrospektive eingerichtet, die mit den wichtigsten Werkgruppen des renommierten deutschen Malers dessen künstlerische Entwicklung hervorhebt.

Baselitz' Einstieg in seine Welt des "Pandämonium", 1961 programmatisch als Manifest publiziert, streift die Ausstellung mit einigen Werken jener dumpf-fleischlichen Körperfragmente, die bis zur Unkenntlichkeit verzerrt oder abgeschnitten sind. Mit den "Helden" und "Hirten" nimmt das Figürliche monumentale Gestalt an: Ärmliche "Typen" stehen hoch aufgerichtet in der Bildmitte, wirken melancholisch und tatenlos. Es sind bedrückende Erscheinungen in unruhigen Konturen. Dem Künstler selbst ("Ein moderner Maler") sind die Hände in Fallen gefangen. Ein romantisierend anmutender Realismus trotzt hier, ganz ohne Pathos, aber auch ohne zorniges Aufbegehren, dem staatlich verordneten sozialistischen Einheitsstil.

In der Folge beginnen sich die dargestellten Figuren zu verändern, werden in den Frakturbildern in Streifen zerschnitten und gegeneinander versetzt (wie beim Cadavre Exquis, jenem alten Spiel, in dem mehrere Personen nacheinander die Zeichnung des anderen fortsetzen, ohne diese sehen zu können). In pseudo-kubistischer Manier sind die Bildinhalte in Farbinseln zerrissen ("B für Larry", 1967), landschaftliche und figürliche Elemente, Nah- und Fernsicht verschmelzen miteinander. Schließlich erreichen Farbintensität und Vehemenz des Malgestus ("Hockender Hund", 1968) die malerische Dominanz gegenüber dem Bildinhalt.

Expressive Malweise, starke Farbigkeit

Die Vernachlässigung des Bildmotivs ist vollzogen im Upside down, den kopfüber in geschlossenen und beruhigten Formen dargestellten Porträts. In den späten siebziger Jahren kehrt Baselitz zu expressiver Malweise und starker Farbigkeit zurück, setzt kraftvolle Kontraste, verwischte Konturen. Es sind Porträts und Selbstbildnisse oder die Gestalt des Adlers, die den Farben das motivische Gerüst geben.

Aus den achtziger Jahren zeigt die Schau bedeutende Werke, in denen die Balance zwischen dargestellter Figur und angestrebter Abstraktion ausgelotet wird: etwa der "Orangenesser VI", "Die Frau aus dem Osten II" (in sichtbarer Affinität zu Edvard Munch), das große "Nachtessen in Dresden" (eine Hommage an die Brücke-Künstler mit Bezug auf Noldes "Abendmahl"), die in manieristischem Kolorit gehaltene "Kreuztragung". In den neunziger Jahren gewinnt das Lineare auf geschlossenem Farbgrund an Gewicht.

Leicht und fast durchsichtig erscheinen die "Russenbilder" (1998-2002), die sozialistische Bildvorlagen ironisieren. Die Dominanz des Farblichen ist zurückgenommen, ein zögerndes Innehalten ist in diesen Bildern spürbar.

Verletzte, verletzliche Oberflächen

Seit 2005 greift Baselitz eigene Motive wieder auf, ordnet und interpretiert sie in den Remix neu. Künstlerische Handschrift und Farben verändern sich; durchsichtiger und zeichenhafter erscheinen diese Arbeiten auf noch größeren Formaten. Auf Blickachse gehängt sind "Ein moderner Maler" sowie "Modern Painter". "Grauer Himmel" verweist auf "Die Hand - Das brennende Haus" und auch zum "Nachtessen der Brückekünstler" bietet sich der Vergleich an.

Umgeben von den späten Remix-Bildern dominiert in der Saalmitte das monumentale, in Partien bemalte Figurenpaar "Meine neue Mütze" und "Frau Ultramarin". Die Holzbildwerke sind einander zugewandt, verharren jedoch statuarisch auf ihren hohen Schuhsockeln. Der Einsatz von Kettensäge, Axt und Meißel als aggressiver Prozess, den Baselitz der Kraft der Zeichnung gleichsetzt, bestimmt die verletzten und verletzlichen Oberflächen seiner Bildwerke. Es scheint, als habe sich die künstlerische Kraft der Bearbeitung von der Leinwand auf die Holzskulptur verlagert.

Georg Baselitz. Gemälde und Skulpturen 1960-2008

Museum der Moderne Mönchsberg

Mönchsberg 2, 5020 Salzburg

bis 21. 6., Di-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr

Katalog hg. v. Toni Stooss, DuMont Verlag, Köln 2009, E 33,-

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