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Im Zweiten Weltkrieg wurden Salzbergwerke zu Bergungsorten großer Kunstwerke. 60 Jahre danach ist in Altaussee ihre dramatische Rettung erlebbar.

Pünktlich mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 setzte die Bergung der Kunstschätze aus den Wiener Museen, Bibliotheken und Archiven ein. Die ganze Aktion war seit langem geplant und gründlich vorbereitet und erfolgte in zwei Etappen. Zunächst erstellte man Listen der bedeutendsten Sammlungsgegenstände. Sie mussten als erste unverzüglich an die Bergungsorte verbracht werden. Die im Museum verbliebenen "minder wertvollen" Objekte bildeten den Grundstock für die so genannte "Kriegs-Schaustellung" des Kunsthistorischen Museums, die am 15.Oktober 1939 geöffnet wurde und "Normalität" vortäuschen sollte.

In den ersten Jahren der Bergung waren die Kartause Gaming (Deckname "Schloß") und das ehemals Rothschildsche Jagdschloss Steinbach bei Göstling (Deckname "Jagd") die wichtigsten Bergungsorte. Nach Abschluss der organisatorischen Vorbereitungen ging der erste Transport am 8. September 1939 vom khm nach Gaming ab. "Schloß" und "Jagd" waren aber nicht nur für die Unterbringung von Objekten des khm bestimmt. Hier befanden sich auch die wertvollsten Gegenstände aus den anderen Wiener Museen, unter ihnen die Gemälde aus dem Besitz des Fürsten von Liechtenstein und der Grafen Harrach.

Wien war nicht mehr sicher

Das Hinterland und insbesondere der Großraum Wien hatten aus der Sicht der Nationalsozialisten lange Zeit als verhältnismäßig sicher gegolten. Der Luftangriff einer amerikanischen Fliegerstaffel (Operation "Juggler") auf Wiener Neustadt vom 13. August 1943 änderte die Sicht der Dinge und erzwang eine neue Phase in der Geschichte der Kunstbergung.

Neue, sicherere Bergungsorte wurden gesucht. Nach eingehender Prüfung der klimatischen und konservatorischen Voraussetzungen fiel die Wahl der Nationalsozialisten auf die aufgelassenen Bergwerksstollen der alpenländischen Salinen im Salzkammergut.

Für die Bergung von Spitzenwerken aus staatlichen Museen, Bibliotheken und Archiven war der Kaiser-Franz-Joseph-Erbstollen in Lauffen bei Bad Ischl bestimmt worden. Gleichzeitig begannen die Arbeiten im Altausseer Salzberg, der auf Befehl Hitlers zum "Bergungsdepot des Reiches" ausgebaut wurde. Ab 1943 trafen die Bestände des "Führermuseums" ein. Schon bald lagerten im Altausseer Bergwerk internationale Kunstwerke von unschätzbarem Wert - darunter der "Genter Altar" oder Michelangelos "Brügger Madonna". Die "Umbergung" erfolgte im Winter 1944/45. Am 12. Dezember 1944 verließ der erste Transport Wien in Richtung Bad Ischl. Mit dem dritten Transport gelangten am 28. Dezember erstmals auch Gegenstände des khm ins Salzbergwerk nach Lauffen. Die beschwerliche Anreise der Kunstwerke mit der Bahn nach Bad Ischl erfolgte in speziell eingerichteten Waggons, die nicht selten bei eisiger Kälte am Bahnhof entladen und mit Raupenfahrzeugen zum Stolleneingang nach Lauffen transportiert wurden. Zu diesem Zweck mussten die verschneiten Wege von Kriegsgefangenen freigeschaufelt werden. In wenigen Monaten wurden 22 Waggons mit wertvollstem Bergegut in dem verzweigten Stollennetz untergebracht. Das Terrain war streng bewacht, der Zutritt nur einem kleinen ausgewählten Personenkreis erlaubt. Der Erhaltungszustand der geborgenen Kunstwerke wurde regelmäßig überprüft. Als Zwischenlager nach der Entladung aus den Eisenbahnwaggons diente die Kaiservilla in Bad Ischl. Die groß angelegte Aktion - immerhin galt es, mitten im Krieg fast 8000 Objekte von Gaming und Wien nach Bad Ischl zu verbringen! - verlief dank der Genauigkeit und der Gewissenhaftigkeit aller Beteiligten im Wesentlichen reibungslos. Verluste oder Beschädigungen kamen nicht vor, doch mangelte es nicht an dramatischen Ereignissen. So wurde im Februar 1945 durch einen Fehler in der Kommunikation auf das Entladen eines mit Kunstwerken ersten Ranges beladenen Eisenbahnwaggons vergessen. Der Waggon wurde daraufhin umgeleitet und war auf der Reise nach Dresden zehn Tage ungeschützt im Kampfgebiet unterwegs!

Nazis: Bomben gegen Bilder

Gefahr drohte aber auch von den Nazis selbst. In Bad Ischl-Lauffen mussten am 2. Mai 1945 im Auftrag von Reichsstatthalter Baldur von Schirach unter Gewaltandrohung in aller Eile zwei Lastautos mit den erlesensten Kunstwerken beladen werden: insgesamt 184 Gemälde, 49 Säcke mit Tapisserien und zwei Kisten mit ausgesuchten Objekten der Kunstkammer. Diese Reise in den Westen querte mehrmals die Kriegsfront und endete am Abend des 7. Mai in St. Johann in Tirol, wo die den Transport begleitenden ss-Männer die Fracht im Keller des erstbesten Wohnhauses abluden und sich in der kommenden Nacht aus dem Staub machten.

Nicht weniger dramatisch verlief das Kriegsende beim "Bergungsstollen des Reiches" in Aussee. Hier sollten acht in Kisten mit der Aufschrift "Vorsicht! Marmor, nicht stürzen!" verpackte Fliegerbomben zu je 500 Kilo im Auftrag von Gauleiter August Eigruber gezündet werden, um zu verhindern, dass die im Stollen untergebrachten Kunstwerke dem "Weltjudentum" in die Hände fielen. Wem das Verdienst gebührt, diesen Wahnsinnsplan verhindert zu haben, ist auf Grund divergierender Angaben der handelnden Personen bis heute nicht restlos geklärt. Tatsache ist, dass die Kisten mit den Bomben von Salinenarbeitern rechtzeitig aus dem Stollen geborgen und abtransportiert wurden.

Kunstwerke kommen zurück

Nach Ende der Kriegshandlungen wurden die Salzbergwerke unter amerikanischen Schutz gestellt. Die Auflösung der Bergungsorte sowie der Ab- und teilweise Rücktransport der Kunstwerke erfolgte im Sommer und Herbst 1945.

Es entsprach der von Bundeskanzler Leopold Figl geforderten "Wiederbesinnung auf sich selbst", als General Mark Clark im Dezember 1945 in den Räumen der Hofburg die "Ausstellung von Meisterwerken der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums" eröffnete. Der damalige Leitende Direktor der Staalichen Kunstsammlungen, Alfred Stix, verwies in der Einleitung zum Katalog auf die künftige Aufgabe der österreichischen Museumspolitik. Die Kunstwerke sollten "ein Zeichen von Österreichs Anteil an der Kulturleistung der abendländischen Welt" sein.

In diesem Geiste entstand schon bald der Plan, die bedeutendsten Kunstwerke aus den österreichischen Museen, Bibliotheken und Archiven während der Zeit des Wiederaufbaues der teilweise zerstörten Gebäude in Form von Wanderausstellungen im westlichen Ausland zu präsentieren und damit auch der noch unsicheren politischen Situation in Österreich selbst zu entziehen. Doch das ist eine andere Geschichte.

Der Autor ist Direktor des Archivs des KHM.

BERG DER SCHÄTZE

Salzbergwerk Altaussee

24. 4.-30. 10., tägl. 9-18 Uhr

www.salzwelten.at

Tel. 06132/2002490

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