Kunst in allen Lebenslagen

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Bücher und Ausstellungen zum 100. Geburtstag der berühmten Wiener Werkstätte.

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Bücher und Ausstellungen zum 100. Geburtstag der berühmten Wiener Werkstätte.

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Architektur, Möbel, Gebrauchsgrafik, Postkarten, Plakate, Buchkunst, Glas, Keramik, Metall, Mode, Stoffe, Accessoirs und Schmuck: das Design der Wiener Werkstätte durchdrang alle Lebensbereiche. "Wir wollen einen innigen Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker herstellen und gutes, einfaches Hausgerät schaffen. Wir gehen vom Zweck aus, die Gebrauchsfähigkeit ist uns erste Bedingung, unserer Stärke soll in guten Verhältnissen und in guter Materialbehandlung bestehen. Wo es angeht, werden wir zu schmücken suchen, doch ohne Zwang und nicht um jeden Preis." So heißt es in einem Arbeitsprogramm der Wiener Werkstätte, das 1905 als Broschüre erschien.

1897 trat eine Gruppe um Gustav Klimt spektakulär aus der Wiener "Künstlergenossenschaft" aus und gründete die "Secession". Und im Mai 1903 wurde, nachdem Kolo Moser und Josef Hoffmann den Textilfabrikanten und Bankier Fritz Wärndorfer als finanzkräftigen Partner gewinnen konnten, die "Wiener Werkstätte Productiv-Genossenschaft" ins Handelsregister eingetragen, im Oktober 1903 wurden die Räume in der Neustiftgasse bezogen. Bald schon verfertigten über 100 Arbeiter jene Produkte, die nicht nur in die Wiener Kunstgeschichte eingegangen sind.

Purkersdorf und Brüssel

Die größten und auffälligsten Produktionen waren wohl die Bauten Josef Hoffmanns: das Sanatorium Purkersdorf in Wien, der erste konsequente moderne Zweckbau in Österreich, hat leider mit der Zeit seine Charakteristik eingebüßt, hingegen ist das Gesamtkunstwerk par excellence, das Palais Stoclet in Brüssel, noch bestens erhalten.

Wie sehr die Idee des Gesamtkunstwerkes aktuell und zeitgemäß ist, kann man an der 1907 gestalteten Inneneinrichtung des Cabaret Fledermaus in der Wiener Kärntner Straße ersehen; vom Sessel bis zum Programmheft wurde dieses als Gesamtkunstwerk durchgestylt. Im Bereich der Werbegrafik war die Wiener Werkstätte mit ihrer lückenlosen Markenpolitik (heute das unumgängliche Corporate Design) ihrer Zeit voraus.

Zum Gesamtkunstwerk gehörten auch der Mensch und seine Kleidung: 1910 gründete die Wiener Werkstätte eine eigene Modeabteilung, die zusammen mit der Textilabteilung in Folge den finanziell erfolgreicheren Zweig bildete, der über Jahre die immer am Rande des Ruins schwebende Wiener Werkstätte über Wasser halten konnte.

Zweckmäßig reduziert

Die Wiener Werkstätte hatte die Zweckmäßigkeit im Auge und das dafür gewählte einfache Formenvokabular, die Reduzierung etwa auf Schwarz-Weiß und die so auffällig strenge Geometrie, erscheint heute noch erstaunlich modern. Allerdings wandelte sich der Stil mit den Personen. Nach dem Ausscheiden Kolo Mosers 1907 wurden schon durch das Eintreten von Eduard Josef Wimmer 1908 die strengen Formen abgeschwächt. Vor allem aber Dagobert Peche zeichnete verantwortlich für die Wende zu phantasievollen Ornamentierungen und Zierformen, die sich vor allem auf Keramik, Tapeten und Glas fanden.

Die Künstlerwerkstätten, die übrigens Künstlern ohne eigene Ateliers auf Kosten der Wiener Werkstätte zu experimentieren ermöglichten, bewegten sich immer nahe am Abgrund des finanziellen Desasters. Der hohe Qualitätsanspruch, die Exklusivität der Produkte - all dies verweigerte sich einer Kommerzialisierung. Die Produkte waren aufgrund ihrer aufwändigen Herstellung zu teuer, um je eine größere Käuferschicht ansprechen zu können. Der erste Mäzen war bereits ausgewandert, auch weitere hatten ihr Geld gelassen. Die Weltwirtschaftskrise tat ihr Übriges dazu: 1932 brach die Wiener Werkstätte finanziell zusammen - das Warenlager musste versteigert werden.

In über 500 Abbildungen stellt der Verlag Christian Brandstätter aus Anlass des 100-jährigen Geburtstages dieser einzigartigen Werkstättengemeinschaft im Bildband "Design der Wiener Werkstätte" das breite Spektrum ihrer Arbeiten aus. Ein Buch, das ein Museum im kleinen ist, für Fans der Wiener Werkstätte ein Muss.

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