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Die Otto-Muehl-Retrospektive im Wiener Museum für Angewandte Kunst erregt die Gemüter. Völlig zu Recht: Muehl ist ein verurteilter Krimineller. Er hat unter anderem als Chef der Kommune Friedrichshof Kinder sexuell missbraucht und dafür eine jahrelange Haftstrafe absitzen müssen. Darf eine renommierte Kunsteinrichtung einem solchen Menschen eine Bühne bieten? Oder spekulierte sie vielleicht sogar mit dem Skandal, der ihr großes Medienecho beschert?

Ja, ja, wir wissen: Es hat schon immer Künstler gegeben, die nicht bürgerlichen Moralvorstellungen entsprochen haben, die man sogar als Verbrecher ansehen muss. Das Argument, dass ein Kunstwerk ein Kunstwerk bleibt, auch wenn sein Schöpfer ein Mörder oder Kinderschänder war, ist zu akzeptieren.

Würde denn ein Sportverband einem Spitzensportler einen regulär aufgestellten Rekord aberkennen, wenn er sich als Krimineller entpuppen sollte? Sicher nicht. Aber man würde ihn kaum öffentlich auszeichnen.

Was aber tut die MAK-Ausstellung? Indem sie Muehls Schattenseite ausblendet, bedeutet sie nicht nur eine Anerkennung für sein Werk, sondern auch seiner Person. Das ist - zumal in Belgien gerade der Dutroux-Prozess läuft - skandalös. Denn erstens ist äußerst umstritten, ob Muehl mit seinem Beitrag zum Wiener Aktionismus überhaupt ein Künstler von Rang ist, und zweitens ist gar nicht umstritten, dass eine solche Würdigung seine Opfer tief verletzt.

Dürfte sich jemand trauen, einen Politiker, einen Wissenschaftler oder gar einen hohen Kirchenmann im Falle ähnlicher Straftaten für besondere Verdienste in ihrem Beruf vor den Vorhang zu bitten? Die Verantwortlichen für die Muehl-Ausstellung haben nicht begriffen, was Muehl, dem keine Spur von Reue anzumerken ist, jungen Menschen für ihr Leben angetan hat.

Der Autor ist freier Publizist in Wien.

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