Gleich einem Wesen aus einer anderen, stilleren Sphäre hegt die „Tote Mutter“ blumenbekränzt auf der Bahre. Das Kind auf ihrer Brust blickt wie fragend in eine plötzlich fremd gewordene Welt: Friedlicher Tod, dennoch unbegreiflich und alles verzehrend. Gibt es einen krasseren Gegensatz zu diesem Blatt Max Klingers als die bekannte Radierung „Pest“: Wie eine Waffe den Rosenkranz schwingend, stellt sich eine Nonne dem flügelschlagenden Tod. Liebe und Leiden, Erkenntnis und Schuld, Zufall und Schicksal: Der Kampf zwischen diesen elementaren Dualismen war das zentrale Thema in den Werken des Leipziger Künstlers Max Klin- ger (1857-1920).
Seine druckgraphischen Zyklen gehören zu den wichtigsten Werken an der Grenze zwischen Jugendstil und Expressionismus. Die „Erlösung“ findet Klinger immer im Tod: „Wir fliehen die Form des Todes, nicht den Tod; denn unserer höchsten Wünsche Ziel ist: Tod.“ Die Ausstellung im Salzburger „Rupertinum“ zeigt noch bis 15. Februar 1994 alle graphischen Zyklen aus dem eigenen Besitz sowie 40 originale Zeichnungen aus Museumsbeständen in Dresden und Leipzig.