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Europas maurisches Erbe

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Europas künftige Einheit hängt vom fruchtbaren Miteinander verschiedener Kulturen ab. Das scheint für viele (Christen) neu und fast unmöglich zu sein. Eine Fahrt durch Andalusien vergangene Woche hat mir dazu hilfreiche Erkenntnisse gebracht.

Erstens: Maurische Kunst und Wissenschaft sind unverzichtbares Erbe Europas. Die Alhambra in Granada überwältigt mit ihrer filigranen Formensprache in Architektur und Dekor, ebenso die Mezquita in Cordoba mit ihren gewaltigen 19 Schiffen und einem Wald von 856 bunten Säulen. Unter dem Kalifen Abd ar-Rahman III (929) war Cordoba ein geistiges Zentrum Europas. Medizin, Dichtkunst, Astronomie, Mathematik, auch Luxus und Lebensart erreichten eine Rlüte, wie sie die restliche damalige (christliche) Welt nicht kannte.

Zweitens: Das Nebeneinander verschiedener Kulturen und Religionen kann durchaus friedlich sein. Cordoba hatte damals 80 Schulen, 17 Hochschulen und 20 Bibliotheken und zog Studierende aus dem ganzen Abendland an. Ein reger Austausch zwischen christlichen, moslemischen und jüdischen Gelehrten bahnte sich an. Gerade dem Klima großer Toleranz hat diese Stadt ihre kulturelle Blüte zu verdanken.

Drittens: Was Unduldsamkeit alles zerstören kann. Das Klima der Toleranz dauerte nicht lange. Die „strenggläubigen” Almo-haden zwangen den jüdischen Arzt und Philosophen Maimonides und den „liberalen” moslemischen Philosophen Averroes zur Flucht. Die „reconquista”, die Rückeroberung des islamischen Reiches durch die Christen, hat traurige Zeichen hinterlassen. Mitten in die Moschee von

Cordoba wurde eine riesige Kathedrale eingebaut. Karl V. soll später zu den dafür verantwortlichen Domherren gesagt haben: „Was Sie hier gebaut haben, findet man überall, aber was sie zerstört haben, gibt es nirgends auf der Welt.”

1492 wurden die Juden, 1502 die Muslime, so sie sich nicht „bekehrten”, ausgewiesen. Und heute findet man an vielen Orten das Bild des heiligen Jakobus, des Schutzpatrones Spaniens, auf einem Streitroß, wie er die Mauren brutal niederreitet. Geschichte macht nachdenklich, aber nur selten lernt man daraus.

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