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Flora und Pomona
Eine der lieblichsten römischen Göttinnen — Flora — empfängt derzeit den Besucher in der Aula der Wiener Akademie der bildenden Künste. Ihre Erscheinung — in einer Sandsteinplastik der Biedermeierzeit vom Zephir umfächelt — bildet den Auftakt zu einer äußerst gelungenen, schönen und aufschlußreichen Ausstellung, die den Titel „Garten und Park — in Darstellungen aus sechs Jahrhunderten” trägt und von der Gemäldegalerie der Akademie veranstaltet wird. Was in ihr mit sicher bescheidenen Mitteln erreicht wurde, ist erstaunlich. Gelingt es ihr doch nicht nur einen eindringlichen Überblick über die Entwicklung der Gartenkunst in Europa seit dem 14. Jahrhundert zu geben und damit geistes- und kulturgeschichtliche Wandlungen und Traditionen aufzuzeigen, sondern auch einen Begriff davon zu vermitteln, welche tiefere geistigen Bedeutungen in der Gartenkunst verankert liegen und welche Wandlungen die Darstellung des Gartens in der bildenden Kunst erfahren bat. Sorgfältig ausgewählt und systematisch aufgebaut führt sie von der religiösen Symbolik der Paradiesesdarstellungen zu jenen der Madonna im Hortus conclusus, zum Garten von Gethsemane und den Darstellung, die Christus als Gärtner zeigen, um dann die profane Symbolik des Liebesgärtleins und die auf die Antike zurückgreifende Allegorie der Renaissance zu demonstrieren.
Sie schildert di Entwicklung des gebauten, formalen Gartens ebenso wie die innige Verbindung mit der Architektur — die er vor allem in Italien und Frankreich einging — und seinen Höhepunkt, den er unter Le Notre erfuhr. Die Gqo- metrisierung der Natur durch die Erweiterung der Raumorganismen der Schlösser im meilenweit gestalteten Park hat bei ihm einfache, großzügige und überwältigende Lösungen gefunden. Das von England im 18. Jahrhundert ausgehende „neue Naturgefühl” brachte im Verein mit den geistigen Umwälzungen ein neues Gartenideal, das des „Landschaftsgartens”, hervor, das nicht zuletzt auch durch den Einfluß Chinas befruchtet wurde. In England aber entstand auch wieder die Gegenbewegurtg gegen den Landschaftsgarten, die Neugeburt des formalen Gartens, der mehr und mehr zum öffentlichen Park wird und damit, auch den entscheidenden sozialen Wandel anzeigt. Wie sehr die Gartenbaukunst im Spiegel ihrer Raumfassung auch Weltbild darstellt, wird in dieser eindrucksvollen Ausstellung überzeugend deutlich, von welchen tiefen Quellen seine Existenz gespeist wurde, eindringlich klar. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß sie nicht nur zahlreiche Besucher anlockt, die sie ihrer großen Bedeutung nach verdient, sondern daß von ihr auch neue Anregungen ausgehen mögen und in ihr der Stoff zum Nachdenken und Besinnen gefunden wird, den sie in so überreichem Maße birgt. Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, daß sie erlesene und seltene Landschaftsdarstellungen und einige Meisterwerke der Malerei beherbergt.
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