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Kreuz statt Kruzifix

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Kruzifix bedeutet viel mehr als Kreuz, nämlich den an das Kreuz gehefteten Leichnam Jesu. Und eben diesen Leichnam anschauen zu müssen, fanden die Kläger in Bayern unzumutbar und haben damit die Kreuzdebatte ausgelöst.

Ein Kruzifix - plastisch dargestellt - ist kein schöner Anblick. Das Kreuz war das Folterwerkzeug, an dem Tausende qualvoll und ehrlos starben. Um das Kreuz Jesu, das Kruzifix, zu verstehen, bedarf es der Vertrautheit mit der Lehre der Erlösung. Und diese Vertrautheit können wir bei vielen Menschen in unserer multikulturellen Gesellschaft nicht voraussetzen.

Ich hörte, daß ein junger Mann in einem Geschäft für Schmucksachen ein „Kreuz mitso einem Mandl drauf bestellte! Bedenken wir auch, daß die

Christen im ersten Jahrtausend sich scheuten, Jesus als Gekreuzigten darzustellen. Das Bild Jesu war das des guten Hirten.

Die ersten Kreuze waren Schmuck-oder Gemmenkreuze. Diese wurden dann in der Passionszeit verhüllt. Ein sinnvoller Brauch; dagegen ist die Verhüllung des Kruzifixes in der Leidenszeit vor Ostern nicht einsichtig.

Erst im Mittelalter, als sich die Menschen in der Passionsmystik immer mehr auf das Leiden Jesu besannen, begann man Jesus am Kreuz darzustellen. Diese Leidensmystik hat zu zahlreichen eindrucksvollen Kruzifixdarstellungen inspiriert.

Nach Kor 1,23 ist jedoch die Verkündigung des Gekreuzigten für Nichtgläubige eine Torheit.

Wäre es nun nicht klüger und taktvoller, in öffentlichen Gebäuden ein Kreuz statt eines Kruzifixes anzubringen? Selbstverständlich soll das Kruzifix in den Kirchen und Wohnungen seinen Platz behalten.

Das Kreuz ohne Corpus erinnert auch mehr an die Auferstehung. Jesus ist für uns gestorben und auferstanden. „Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat.” Mt. 28/6

Wir würden den Grund des Anstoßes, „den nackten Leichnam anschauen” zu müssen, wegnehmen.

Wir würden darüber hinaus an eine jahrtausendalte Tradition der christlichen Kunst anknüpfen.

Das Kreuz soll bleiben. Es ist uns heilig und das Zeichen unserer Tradition und christlichen Kultur. Aber wir sollen es nicht in der Form des Kruzifixes denen aufdrängen, die dafür kein Verständnis haben. Denn es soll nicht für Spaltung und Streit Anlaß geben.

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