Jolly von Maja Vukoje - © Foto: Roland Krauss, Courtesy Maja Vukoje

"Mahlzeit": Wie wir essen

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„Mahlzeit“ sagt das Dom Museum Wien und zeigt Kunst quer durch die Epochen zum Thema Nahrung und Ernährung.

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„Mahlzeit“ sagt das Dom Museum Wien und zeigt Kunst quer durch die Epochen zum Thema Nahrung und Ernährung.

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Ein Raum wie eine Ouvertüre: Das ist jener Raum, mit dem das Dom Museum Wien seine Jahresausstellung „Mahlzeit“ beginnt. „Erstes und letztes Mahl“ führt sofort ins Elementarste, da eine Existenz des Menschen ohne Essen nicht zu denken ist. Von der Geburt bis zum Tod benötigen wir Nahrung, von der Geburt bis zum Tod ist Essen mit Beziehungen verbunden. Ein Baby, dem niemand Nahrung gibt, stirbt. Ein Baby, das gestillt wird, spürt die menschliche Nähe. Indem das Dom Museum Wien das letzte Abendmahl ganz selbstverständlich in diesen Kontext stellt, weist es diesem biblischen Sujet auch eine existenzielle Bedeutung zu: die des Zusammenseins, der Begegnung – und des Gegenteils: des Abschieds, der Einsamkeit. Die Aluminiumskulptur „Last Supper“ (2020) vom niederländischen Kollektiv Atelier Van Lieshout entfernt sich von den bekannten Nach-da-Vinci-Darstellungen und lädt in seiner abstrakten Form (Offenheit? oder Käfig?) zu neuen Fragen ein.

Schon dieser erste, relativ kleine Raum vernetzt diverse Kulturen, Zeiten und Bereiche – so man denn sakral und profan als Bereiche bezeichnen mag. Das Dom Museum Wien mag das eher nicht, hier weiß man sakrale Darstellungen eingebunden in die Welt – und von ihr ungetrennt. Verdeutlicht wird das durch die Auswahl und Zusammenstellung der Objekte, versinnbildlicht wird es im Gemälde „Christus bei Martha und Maria“ von Pieter de Bloot aus dem 17. Jahrhundert, jener Zeit, in der die religiösen Motive in den Hintergrund der Bilder wanderten und sinnliche Dinge wie das Obst in den Vordergrund. In Bloots Gemälde steht beides gleichwertig nebeneinander, die biblische Erzählung und die sinnliche Welt ergeben ein Bild, Symbol für die gesamte Ausstellung.

„Essen in der Kunst“ mit motivgeschichtlichen Erörterungen zu naheliegenden Sujets wie Stillleben oder „letztes Abendmahl“ zu thematisieren, dieser Versuchung widerstand man. Johanna Schwanberg, die Direktorin des Dom Museums, setzte vielmehr wieder bewusst auf Themen, Emotionen und Reflexionen als Ordnungsprinzip.

Das Ergebnis überzeugt. Vielleicht liegt das Erfolgsrezept gerade in dieser Fokussierung auf Themenbereiche, die Menschen unmittelbar ansprechen, weil sie mit ihrem Leben konkret zu tun haben. Die Besucherzahlen sprechen für sich, die Ausstellung lockt Schülerinnen und Schüler an, die nicht nur von den Hasenbemmerln auf Sonja Alhäusers „Hasentisch“ entzückt sind, die man essen kann (weil aus Schokolade).

Auch bei der Wahl des jeweiligen Jahresthemas beweist das Dom Museum Wien seit seiner Neueröffnung nicht nur einen fokussierten Blick auf die eigenen Sammlungen, sondern immer auch viel Gespür für die brennenden Fragen der Gegenwart. Ausgegangen wurde von der Erfahrung, dass während der covidbedingten Einschränkungen viele Menschen zwar einerseits vom geselligen Zusammensein ausgeschlossen waren, andererseits aber das gemeinsame Kochen zuhause wieder neue Bedeutung bekam. Inzwischen sind Lebensmittel grundsätzlich neu im Fokus, aufgrund der Teuerungen ebenso wie aufgrund der vermehrt öffentlich thematisierten Fragen nach Zugänglichkeit und Verteilung. Themen, die sich längst in der internationalen Kunst finden lassen.

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