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Musil-Show

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Daß im Auditorium maximum der Universität Wien, ussdem Werk von Robert; Musil gele.-wn: werden sollte, war gewiß lobenswert. Daß die Veranstaltung mit viertelstündiger Verspätung begann, entsprach dem Ort der Handlung. Damit allerdings sind auch schon alle akademischen Wesenszüge dieser Dichterlesung erschöpft.

Aber bitte schön, es mußte ja nicht unbedingt akademisch sein: Musil ist sicher mehr als nur Objekt literaturwissenschaftlicher Forschung, sein Werk sollte in gleichem Maße, wie es österreichische Art und Kunst des 20. Jahrhunderts präsentiert, allgemeiner geistiger Besitz der Österreicher sein, vor allem der Jugend.

Der junge „Törless“-Darsteller aus Schlöndorffs Film, Mathieu Carriere, las erstaunlich gut und einfühlsam. Als Schauspieler sei ihm auch zugestanden, daß er die Eintrittskarten zu seiner Show vorher am Graben selbst unter das Volk brachte und unter Jazzklängen Autogramme verteilte — obzwar das unter seriösen Dichterinterpreten nicht unbedingt Brauch ist.

Aber alle Zugeständnisse an Filmgeschäft, Show und Jugend hatten ein Ende, als man endlich Musils „Nachlaß zu Lebzeiten“ mit einer dreiköpfigen Jazzband kombiniert hörte (deren Spiel überdies nicht gerade meisterhaft zu nennen war), als der Kopf des Musil-Interpreten unter bengalischer Beleuchtung rot-grün-gelb-lila aufleuchtete, als man die Szene mit Stallaternen, Grablicht und Petroleumlampe erhellt sah — was eher an Happening erinnerte, als daß es Musil entspräche!

Mit großem Werbeaufwand war die Jugend zu einer Dichterlesung gerufen worden; doch man bot ihr Show statt Zugang zu einem großem Werk. Voraussichtlich wird sie in den betreffenden Film strömen, der junge Schauspieler kann einer großen Anhängerschaft in Wien sicher sein, und der Umsatz an Musil-Büchern mag kurzfristig hochschnellen. Man kann nur hoffen, daß diese Bücher auch gelesen werden und die „Zushower“ darin später den Dichter treffen, der ihnen am Abend verstellt worden war. — Sonst müßte man sich energischer gegen derartige Geschäfte „anläßlich des 25. Todestages von Robert Musil“ verwehren.

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