Porträt einer Dame - © elka Platek „Porträt einer Dame im roten Kleid“, 78 × 57,5 cm, Öl auf Leinwand,1942; Foto: Hubert Auer /  Museum Kunst der Verlorenen Generation

Sammeln, was als "entartet" gebrandmarkt wurde

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Ein Privatmuseum in Salzburg ist dem Andenken inzwischen großteils vergessener Künstlerinnen und Künstler gewidmet, deren Karrieren durch das NS-Regime jäh unterbrochen und oft beendet wurden.

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Ein Privatmuseum in Salzburg ist dem Andenken inzwischen großteils vergessener Künstlerinnen und Künstler gewidmet, deren Karrieren durch das NS-Regime jäh unterbrochen und oft beendet wurden.

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Der Künstler Gert Wollheim überlebte die Naziherrschaft versteckt in den Pyrenäen, bevor er nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigrierte. Dort malte er das Porträt des Rechtsanwalts Friedrich Maase, der zwei KZ-Internierungen überlebte und später in einem Prozess gegen zwei SS-Männer aussagte. Wir sehen einen soignierten Herrn intellektuellen Zuschnitts vor einer Flusslandschaft, in der einen Hand hält er ein Buch, in der anderen eine Zigarre. Ein Besucher des Museums schaute sich die aufgeschlagenen Buchseiten mit einem lateinischen und einem griechischen Text genauer an und bemerkte, dass darin auf Aristoteles und Heraklit ­angespielt wird. Der Porträtierte, der sich nach dem Krieg politisch engagierte und gegen die von Adenauer angestrebte Wiederbewaffnung der Bundesrepublik auftrat, wird als Freund der Wahrheit dargestellt. Er trotzt den Widrigkeiten repressiver Politik, als einer, an den man sich halten kann, macht er Eindruck. Der Fluss im Hintergrund verweist auch auf Heraklit, von dem die Überlegung überliefert ist, niemand könne zweimal in den gleichen Fluss ­steigen.

Gegen das Vergessen

Jedes Bild erzählt eine Geschichte, sagt der frühere Internist Heinz Böhme, wenn er durch sein in der Salzburger Altstadt gelegenes Museum „Kunst der verlorenen Generation“ führt. Tatsächlich hat er im Alleingang die Sammlung aufgebaut, die sich auf Künstlerinnen und Künstler konzentriert, deren Karrieren durch den Nationalsozialismus jäh unterbrochen wurden. Einigen gelang es zu emigrieren, viele wurden ermordet, alle wurden sie vergessen, obwohl sie zu Lebzeiten in der künstlerischen Welt etwas galten. Sie waren Schüler von Lovis Corinth, Max Beckmann oder Oskar Kokoschka, waren dem Expressionismus verpflichtet, dem Surrealismus oder dem Kubismus, standen dem Bauhaus oder der Berliner Secession nahe, weisen jedoch alle eine eigene Handschrift auf. Dass uns heute die Namen Karl Hermann Trinkaus, Julie Wolfthorn oder Heinrich Esser nichts sagen, ist der Zeitgeschichte geschuldet und nicht mangelnder Qualität. Sie galten als entartet oder wurden als Juden diffamiert, höchste Zeit, dass die Kunstgeschichte ihren Fokus erweitert und den ehemals Verfemten Gerechtigkeit widerfahren lässt.

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