Viennale, Queerness, Homosexualität - © Foto: Getty Images / Simone Padovani
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Kunstbiennale Venedig: „Foreigners everywhere!“ und ein bisschen Frieden

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Die noch bis 24. November laufende Kunstbiennale 2024 widmet sich dem brandaktuellen Thema „Foreigners everywhere!“. Ihren politisch korrekten Ansatz wälzt immer wieder die Realität nieder. Der israelische Pavillon bleibt geschlossen. Der österreichische zeigt, wie schön Frieden sein könnte.

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Die noch bis 24. November laufende Kunstbiennale 2024 widmet sich dem brandaktuellen Thema „Foreigners everywhere!“. Ihren politisch korrekten Ansatz wälzt immer wieder die Realität nieder. Der israelische Pavillon bleibt geschlossen. Der österreichische zeigt, wie schön Frieden sein könnte.

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Weltweit waren im Mai 2023 etwa 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Inzwischen sind es sicher noch mehr, der Nahe Osten steht in Flammen. „Foreigners everywhere!“ gab Adriano Pedrosa, der erste bekennend queere Biennale-Kurator, als Motto der heurigen Kunstbiennale in Venedig aus. Dieses Thema ist so brandaktuell wie allgemeingültig. Es beginnt beim Fremden in sich selbst und umspannt alles zwischen Tourismus und Trauma. Die Biennale konzentriert sich auf den Globalen Süden, auf unterschiedliche sexuelle Ausrichtungen, Fluchterfahrung und Migration. Die explosive Kraft, die all dies für die Politik der wohlhabenden Welt hat, thematisiert sie nicht. Wer dazu Distanz sucht, ist in Venedig richtig.

„Wir waren völlig verloren in dieser Welt, dann trafen wir Anna“, sagt die ukrainische Balletttänzerin Oksana Serheieva. Die Künstlerin Anna Jermolaewa, die heuer den österreichischen Pavillon bespielt, war 1989 selbst aus der Sowjetunion geflohen. Nun hilft sie Menschen aus der Ukraine, wo sie kann. Ihr Beitrag ist ästhetisch, empathisch und auf eine sehr elegante Weise politisch. Er reflektiert die eigene Fluchterfahrung, gemeinsam mit Serheieva entwickelte sie die Videoinstallation „Rehearsal for Swan Lake“. Die Musik Tschaikowskys füllt den Raum. Wann immer es einen Regimewechsel in den ehemaligen Sowjetrepubliken gab, wurde tagelang in Dauerschleife "Schwanensee" gespielt. Serheieva probt im Video, bis ihre Schuhe blutig werden. Bis zum Ende der Biennale wird sie an sechs Tagen im Monat je drei Mal live tanzen. Auch die Arbeit „Ribs“ erzählt eine Geschichte aus der ehemaligen Sowjetunion. Verbotene Musik aus dem Westen wurde auf ausgemusterte Röntgenbilder gepresst. Täglich werden ein paar davon auf einem Plattenspieler vorgespielt.

Ästhetisch, empathisch, politisch

Jermolaewa ist 1975 in St. Petersburg geboren, ihr politisches Engagement für die Oppositionspartei Demokratische Union rief den KGB auf den Plan, vor 35 Jahren floh sie nach Österreich. Ihre ersten Nächte verbrachte sie auf einer Bank am Wiener Westbahnhof, bevor sie nach Traiskirchen kam. Das war damals eines der größten Flüchtlingslager Europas, wo vierzig Männer, Frauen und Kinder sich einen Raum teilten und Toiletten keine Türen hatten. Im Hof von Hoffmanns Pavillons stehen nun sechs originale Telefonzellen aus Traiskirchen, in deren Wände viele Telefonnummern und Botschaften eingeritzt sind. Sie waren für die Flüchtlinge der Draht zu den Daheimgebliebenen und funktionieren immer noch. In ihrer Fotoserie „Research for Sleeping positions“ übernachtete Jermolaewa 2006 wieder auf einer Bank am Wiener Westbahnhof. Inzwischen hat sich deren Design verändert, heute machen Armlehnen die Bänke zu Sitzreihen, damit man sich nicht mehr darauf hinlegen kann.

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