Werbung
Werbung
Werbung

Nebenprodukt des Waren- und Geldflusses, Interesse an fremder Kultur oder globalisierte Kunst? Zur Ausstellung im MUMOK.

Das Fremde, das Unbekannte, das Exotische - drei Zuschreibungen, die den europäischen Entdeckergeist zu den waghalsigsten Expeditionen angestachelt haben. Längst schon, wenn auch erst langsam in ein allgemeines Bewusstsein einsickernd, hat sich die Annahme, dies geschehe auf einer Einbahnstraße, als unhaltbar erwiesen. Nicht nur im Fußball spielen "Zuwanderer" aus der alten Peripherie in den höchsten Spielklassen äußerst erfolgreich mit. Ähnliches lässt sich auch für den kulturellen Marktplatz vermelden, der in Zeiten der Globalisierung, erdumspannend ständig neue Ware präsentieren möchte. Unterstützt durch die Ideologie, gute Kunst müsse neue Kunst sein, deren Hauptqualität in der Überwindung der Vorgängerkunst liegt, ergibt dies eine prosperierende Kunstmarktsituation.

Neue Ware & neue Kunst

Besonders interessant für den Import scheint in letzter Zeit China zu sein, zumindest legt dies die Häufigkeit von Ausstellungen mit chinesischer Kunst nahe, die offensichtlich zum Exportniveau von Spielzeug, Schuhen und Kleidung aufschließen möchte. Bei den letztgenannten Produkten punkten die Chinesen in Europa vor allem mit den günstigen Preisen. Zwar sind die chinesischen Starkünstler im Vergleich zu ihren Mitbewerbern aus dem Westen noch zu erschwinglicheren Preisen zu haben. Aber dies allein kann den Boom nicht begründen. Erwartet sich Europa, seine eigene Geschichte hier noch einmal als Zuschauer verfolgen zu können? Rührt das Interesse von den vielfältigen ökonomischen Beziehungen, die der Westen aufgrund der boomenden Wirtschaft in China aufzubauen versucht, quasi als Nebenprodukt des allgemeinen Waren- und Geldflusses?

Die Ausstellung im Museum moderner Kunst stellt bei der Beantwortung dieser Fragen die Umkehrung der Einbahnstraße im Kulturtransfer dar. Das europäische Interesse an einer ungewohnten, fremden Kultur bringt von den dorthin unternommenen Rechercheausflügen keine exotischen Artefakte in die heimischen Museen mit nach Hause. Vielmehr entspricht die Produktion, die die chinesischen Kunstschaffenden den europäischen Betrachtern präsentieren, zu einem sehr hohen Grad den Sehgewohnheiten dieses Publikums. Vorbei sind die Zeiten, in denen die "klassische" chinesische Malerei mit fremdartig aufgelösten Bildgründen sofort anzeigte, dass sie von einem anderen Kontinent stammt.

Die zeitgenössische Kunst aus dem Reich der Mitte gibt diese Einsicht erst auf den zweiten Blick preis - was durchaus ein Vorteil ist. Erstaunlich bleibt allemal, dass die Chinesen, so ziemlich das einzige Volk rund um den Globus, das für die eigene Herkunft keinen Zuwanderungsmythos kennt, sondern schon immer dort gewesen ist, wo es jetzt auch ist, zumindest einen kräftigen Import an auswärtiger Bildsprache getätigt haben.

Realismus als Enthüllung

Der Eintritt in den chinesischen Alltag, wie man ihn dort heute erleben kann, geschieht in der Ausstellung im Museum moderner Kunst über den altbewährten Realismusumweg. "Der Einsatz des Realismus als Mittel zur Enthüllung der Angst und des spirituellen Verfalls innerhalb der modernen Gesellschaft bildet eine wichtige Strömung der zeitgenössischen chinesischen Kunst. Aufgrund ihrer Auseinandersetzung mit den Transformationen des Ich in einem Zeitalter des Materialismus sind chinesische Künstler in der Lage, in eine Art psychoanalytischen Dialog mit ihrer sich wandelnden Umwelt zu treten", formuliert Zhu Qui im Begleitkatalog.

Die Vorstellung, dass man mit den von der kommunistischen Partei vorgenommenen Öffnungen auch Freiheit erlangen würde, hat sich nicht bewahrheitet, stattdessen hat man sich bloß die Gesetze einer anderen Macht eingehandelt, jene des Kapitalismus. Daher möchte der westliche Besucher auch angesichts vieler exzellenter Exponate ausrufen: Willkommen zu Hause! Wären da nicht die vielen Einzelheiten, die auch der Globalisierung im Ganzen bisher die Show gestohlen haben.

China

Facing Reality

Museum Moderner Kunst

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.mumok.at

Bis 10. 2. 2008 Mo-So 10-18 Uhr,

Do 10-21 Uhr

Katalog: China - Facing Reality, 2 Bde., Wien 2007, 117 S., € 35,--

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung