Kunsträume als Kunstträume

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Eine Ausstellung in Wien beleuchtet den weiten Weg zwischen Kunst und nutzungsorientierter Architektur.

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Eine Ausstellung in Wien beleuchtet den weiten Weg zwischen Kunst und nutzungsorientierter Architektur.

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Kunst darf träumen. Sie soll nicht von dieser Welt sein. Läßt man Künstler Räume träumen, erfordert das vom Besucher viel Verständnis. Schon die Pläne zu den Räumen sind Kunstwerke. Wilde, bunte Aquarelle, Bleistift auf edlem Büttenpapier und keinerlei Maß, Kote oder Zahlengewirr.

Das Herz des Kunstfreundes lacht, das des Baumeisters zittert. Die konsequentesten Ideen sind daher auch nicht realisiert. Einige Räume auf dem Weg zum Ideal gibt es doch. Und das Ideal ist einfach: Kunst und sonst gar nichts. Genauso ist auch der ideale Raum dafür: Kunst und sonst gar nichts. Künstlerarchitekten wie Erwin Heerich planen nur das Wesentliche. Der inszenierte Zugang zum Werk und der optimale Lichteinfall darauf schaffen den Tempel für das Kunstwerk. Es geht darin nur ums Betrachten. Wer diesen Raum betritt, muß schauen, staunen, still werden und sehen lernen. "Daß heute an alles Praktische gedacht werden muß, verhindert ja gerade, Architektur als ein Ideal zu denken, sogar bei Museumsbauten. Schinkels Altes Museum in Berlin hatte weder Garderoben noch Cafeteria," sagt Gerhard Merz.

Der Bildhauer baut keine Räume im eigentlichen, nutzungsorientierten Sinn. Seine Räume werden zu Skulpturen. Gerhard Merz' jüngstes Objekt, Bozen-Bolzano II, ist eine Verhinderung. Es läßt den Passanten nicht zum Störfaktor des leeren Raumes werden. Betritt man den großen, rechteckigen Betonkubus durch die einzige Tür, findet man sich in einer Art betonüberdachter Fußgängerpassage mit Schaufenstern. Hinter den Schaufenstern ist nichts. Exakt dieses Nichts ist das, was man betrachten soll. Gebündelte Leere muß wirken und bewahrt bleiben. Der Raum endet mit einer betongrauen Wand. Eine verglaste Einbahnstraße ohne Ausweg. Konfrontation pur. Raum pur.

Die Pläne von Gerhard Merz erinnern an antike Tempel. Sakralbauten brauchen zu Meditation und Gebet keine WC-Anlagen. Sitzbänke kannte man dort ursprünglich auch nicht. Ehrfurcht erfordert Stehen. Und Kunst erfordert Ehrfurcht. Räume von Künstlern für die Kunst sind selbst schon wieder Kunst. Wo sie ins Profane kippen, als große Museen und Galerien vermarktbar werden, WCs, Garderoben und Bookshops vorsehen, wo sie Geschäft machen und Geld abwerfen, fehlt ihnen die Kunst. Dann werden sie zu bergenden Hüllen. Sie schützen vor Regen und garantieren die richtige Temperatur, damit nicht Menschenschweiß die Kunst angreift. Meist sind sie von Architekten entworfen.

Zwischen Kunst und Architektur liegt ein weiter Weg. Das Resultat einer Symbiose ist schwer zuzuordnen. Philip Johnson, der weltberühmte Architekt hat die Stadt Wien und den Platz vor dem Ringturm um einen Beitrag zum Thema permanent bereichert. Er wollte einmal Spaß haben und Kunst schaffen. Dann ist doch fast Architektur daraus geworden. Seine Skulptur schafft Zwischenräume, die von den Passanten erforscht und begangen werden wollen. Nur tut das in Wien niemand.

Bis 13. November ist die Ausstellung"Räume der Kunst" bei freiem Eintritt in der "Wiener Städtischen" am Schottenring 30 von Montag bis Freitag von 9-18 Uhr zu sehen, die Skulptur Philip Johnsons steht noch länger da.

Wie schaut der ideale Raum zur Kunst aus? Eine Ausstellung Ringturm hat gesammelt, was Künstlern zum Thema einfällt.

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