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Begehren um (fast) jeden Preis

Franck (Pierre Deladonchamps), ist oft am Schwulenstrand eines Sees. Er begegnet dort Henri (Patrick d’Assumçao), der hierherkommt, um Ruhe zu haben. Die anderen suchen dagegen meist ein sexuelles Abenteuer - oder auch mehr. Als der geheimnisvolle Michel (Christophe Paou) auftaucht, ist es um Franck geschehen: er verliebt sich in den Fremden - und verfällt ihm, obwohl ihn eine verstörende Aura umgibt. Die ist keine Einbildung, denn dahinter verbergen sich Mord und Totschlag. - Regisseur Alain Guiraudie gelingt mit "Der Fremde am See“ ein ebenso einfühlsames wie grausiges Drama, das in der Destruktivität einer Beziehung kulminiert: Begehren und Verlangen sprengen alle Grenzen. Diese Schrankenlosigkeit wird von Guiraudie in beklemmende Naturbilder übersetzt sowie in überbordende Männersexszenen, die gewiss nicht jedermanns Sache sind, aber der Logik dieses Kammerspiels folgen und insgesamt zu einem fulminanten Arthausfilm beitragen.

(Otto Friedrich)

Der Fremde am See (L’inconnu du lac)

F 2013. Regie: Alain Guiraudie. Mit Pierre Deladonchamps, Christophe Paou, Stadtkino. 97 Min.

James Balogs Botschaft

D a ist er wieder, der rote Graph, der am Ende steil nach oben schießt: Um die Fieberkurve des Planeten, die schon Al Gore in "Eine unbequeme Wahrheit“ für einen drastischen Vergleich benutzte, kommt auch James Balog nicht herum. "Chasing Ice“ begleitet den amerikanischen Fotografen bei seinem Projekt, die globale Erwärmung mit Hilfe von Zeitraffer-Gletscheraufnahmen sichtbar zu machen. Zwischen globalem Interesse, außerordentlichen Bildern im Eis, das nicht mehr ewig ist, und dem Mahner selbst wählt die Dokumentation einen recht konventionellen Weg: Sie entwickelt sich aus dem Porträt der Pionierpersönlichkeit heraus. Manchmal Making of, dann wieder über der scheinbaren Neuerfindung der Gletscherfotografie fast Loblied, weiß der Film seine Argumente zu setzen, auch wenn die Natur selten unbegleitet wirken darf. Am Ende ist er damit genau das, was er sein will: ein effektvoller Verstärker für Balogs Botschaft, in der Hoffnung, dass die letzten Leugner Lügen gestraft werden.

(Thomas Taborsky)

Chasing Ice

USA 2012. Regie: Jeff Orlowski. Polyfilm. 75 Min.

Faszinierendes Scheitern

D ie Figuren in Ridley Scotts "The Counselor“ - zumindest jene, die handeln und nicht be- oder verhandelt werden - sind Triebwesen, sexuell und Rangordnungs-technisch und damit instinktive Kreaturen, immer in Alarmbereitschaft, die in ihrem Revier Gefahren wittern und nicht zögern, ihre Feinde zu töten. Die Figuren in "The Counselor“ sind, in Wahrheit, Cormac McCarthys Figuren. Sie entstammen einer Welt, die der Autor den Menschen als eigen und selbstgemacht attestiert, und in der es darum geht, mit der Existenz des Bösen umzugehen.

McCarthy schrieb für die Verfilmung

Es ist das erste Mal, dass McCarthy eine literarische Vorlage geschrieben hat, die von vornherein zur Verfilmung bestimmt war. Anders als etwa in der Adaption von "No Country For Old Men“ durch die Coen-Brüder, scheitert Regisseur Ridley Scott nun an der filmischen Umsetzung dieses Textes, aber wie er scheitert, ist dennoch faszinierend. Es spielt dabei keine große Rolle, was hier passiert, sondern vielmehr, wie es passiert: Drogenhandel, Erpressung und undurchsichtige Machenschaften zwischen dem Titel gebenden Counselor (Michael Fassbender), dem Fadenzieher Reiner (Javier Bardem) und der humanisierten Schachfigur Westray (Brad Pitt) konstitutieren den metaphorischen Sumpf im gleißenden Sonnenlicht an der Grenze zu Mexiko, in dem die Figuren ungeniert philosophisch sprechen, während sie langsam (in Aphorismen) ertrinken. Scotts geradliniger Regiestil wird der Unbarmherzigkeit McCarthys nie gerecht. In beider Annäherung ans Material liegt etwas Surreales - bei Scott manifestiert es sich allein schon darin, dass er diese Vorlage überhaupt fürs Mainstream Kino adaptiert. Das allerdings will man ihm sehr zugute halten.

(Alexandra Zawia)

The Counselor

USA 2013. Regie: Ridley Scott. Mit Michael Fassbender, Brad Pitt, Javier Bardem. Centfox. 117 Min.

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