Kurzweilige "Komödie einer Tragödie"

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Franz Werfels erfolgreichstes Stück "Jacobowsky und der Oberst" feiert heuer seinen 75. Geburtstag. Dieses Drama gegen jede Form von Unterdrückung und Nationalismus hat -auch angesichts der fortwährenden Religionskriege und einer Theologie der Gewalt - bis heute nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt.

Bruno Max inszeniert das Stück im Theater Scala präzise als Appell für Humanität und sozialpolitisch verantwortliches Handeln. Berührend und witzig zeigt Max die Geschichte des gegensätzlichen Männerpaares Jacobowsky und Stjerbinsky. Beide sind Polen, ersterer Jude und mindestens vier Mal geflüchtet, der andere katholischer Oberst, dem Pflichtbewusstsein vor Menschlichkeit geht. Am Ende - nach einer abenteuerlichen Flucht -werden sie zusammenhalten, sich gegenseitig retten.

Hochaktuell ist Werfels "Komödie einer Tragödie", wie er sein Stück selbst nannte, hochbrisant die Dialoge, etwa wenn die Plätze am Boot ins freie England gezählt sind. Werfel verarbeitet darin seine und Alma Mahlers Flucht von Österreich nach Kalifornien, andere emigrierte Schriftsteller, wie Erich Maria Remarque, nannten sein Drama "die bedeutendste Komödie der Zeit".

Überleben durch List und Menschlichkeit

Aus dem real existierenden Stuttgarter Bankier Jakobowicz gestaltete Werfel seinen Protagonisten Jacobowsky, dem er den Flucht-Partner Stjerbinsky erfindet. Im Stück verfügt der eine über ein Auto und kann nicht fahren, während es sich beim anderen genau umgekehrt verhält. Zusammen mit Stjerbinskys Geliebter Marianne und dem Diener Szabuniewicz machen sie sich auf den Weg und finden sich auf einer kuriosen Reise inmitten von Verfolgung und Krieg wieder. Bruno Max vertraut den starken Dialogen Werfels, in den Übergängen spielt er dokumentarisches Filmmaterial ein und zeichnet die Flucht auf einer auf die Leinwand projizierten Landkarte nach. In seiner einfallsreichen und solide gearbeiteten Inszenierung verfügt er über ein ausgezeichnetes Ensemble, Hermann J. Kogler gibt einen melancholischen und mindestens so einfallsreichen Jacobowsky, Alexander Rossi als Oberst sowie Robert Stuc als sein Diener Szabuniewicz sind ideal als Gegensatz-Paar besetzt. Mit deren deklariert slawischem Akzent trägt die Regie zwar etwas dick auf, am Ende erschließt sich die Idee, wenn der akkurate Würfelspieler (Wolfgang Muhr) den gesuchten Oberst damit entlarvt.

Vor allem der zweite Teil gelingt Max besonders gut. Beklemmend ist die Situation, wenn die Flüchtenden am schmalen Pier stehen, und Jacobowsky noch einmal sein Lebensmotto "Man hat immer zwei Möglichkeiten" auf der Suche nach einem Ausweg reflektiert. Angesichts der nahenden Gestapo bleibt ihm nur mehr die Frage: Wie sterben? Doch es wäre keine Komödie, tauchte nicht eine dritte Möglichkeit auf, die des Überlebens durch List und Menschlichkeit.

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