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Im Sitzen fliegen geht. So lautet der Titel einer Reise in einen Zustand. Ich bin der einzige Passagier. Ich fliege, aber in Wahrheit sitze ich rasend. Das Gepäck, ach was, das Gepäck. Je mehr man davon hat, umso mehr zählt man dazu.

Die Stewardess erklärt Fluchtwege, zeigt auf Bücher, Musik, Kino, also Kultur. Außerdem heißt sie Mona Lisa. Sie verschafft mir das Gefühl von Sicherheit, schlimmer noch, von Tiefe und Wert. Als wüsste sie, wie man alle Zeiten überfliegt. Mit heiterer Ironie, sogar etwas Mut zu Hässlichkeit, Selbstwitz. Geht sich das aus? Sie ist immer bei mir, hält den Blickkontakt. Sie sagt nie, es sei jetzt genug. Sie ist eine Oberfläche, aber in mir ein Körper der Kunst. Selbst auf dem Abort. Der Gedanke an sie beruhigt im Gegensatz zur Zeitung von Morgen, wo steht, was Menschen umbringt. Mit Mona Lisa trinke ich auf Art Brut. Zwischen unseren Dimensionen gibt es sonst keine physikalische Wirkung. Mona Lisa ist mein Kissen. Ich denke an Florenz, den Louvre, wo ihr Original hängt. Ich sehe, wie der Blick auf Blicke von Augen fällt, die aus den Höhlen treten und von Mona Lisa kein Bild haben. Nie haben werden. Menschen, die im Museum leben, Europa leben wollen. Was will denn ich leben? Lukas Cranachs Leichenblässe? Hieronymus Boschs Welt? Bosch ist nur ein paar Meter von meinem Haus entfernt, und ich geh ihn öfter besuchen. Die Kehlen sind aufgeschnitten, die Stimmritzen quellen vor Blut, das Röcheln ein Gurgeln. Das Leben in der Zeitung von Morgen. Muss ich Bojengräber setzen? Den Pinsel nehmen und Mona Lisa abschminken?

Das Getippe schürft an der Schädeldecke. Mein Zustand entfaltet sich zur Landkarte und sucht die Route für eine Kampagne. Die Kühlbox summt. Die Schürze hängt am dünnen Hals der Stewardess, eine schlappe Flagge. Mona Lisa ist appliziert. Sie dient als Gutschein für einen Zustand.

Die Autorin ist Schriftstellerin

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