Lage bestimmt Nachfrage

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Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) ist Herr über sieben Milliarden Schilling Wohnbauförderung. Im Interview erklärt er die Verteilung.

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Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) ist Herr über sieben Milliarden Schilling Wohnbauförderung. Im Interview erklärt er die Verteilung.

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dieFurche: "Über wieviel Wohnbauförderungsmittel verfügt die Stadt Wien derzeit, und wie setzt sie sie ein?"

Faymann: Über rund 7 Milliarden jährlich. Davon werden drei im Neubau, drei in der Sanierung, und eine in der Subjektförderung eingesetzt, die wir nun statt der früheren Objektförderung forcieren. Das heißt, das Gießkannenprinzip: jeder kriegt pro Quadratmeter 10.000 Schilling, verändert sich in Richtung: jeder kriegt pro Quadratmehter 4.000 Schilling, und wird dann zielgerichtet mit speziellen Förderungen unterstützt.

dieFurche: Der Wohnungsmarkt hat sich in letzter Zeit stark vom Bedarfs- zum Angebotsmarkt entwickelt. Erstmals in der Geschichte des sozialen Wohnbaus hat die Gemeinde Wien Schwierigkeiten, die Wohnungen am Leberberg loszuwerden. Warum?

Faymann: In den alten Gemeindebauten gibt es keine Leerstände, die in den neuen haben sich auf den Leberberg reduziert, das heißt, es gibt insgesamt in Wien von 1.700 Gemeindewohnungen 200, die leerstehen. Die sind am Leberberg und sonst in keinem einzigen Projekt. Die anderen Neubauprojekte sind sehr gut angenommen, obwohl sie teurer sind als die Altbauten. Die kosten im Durchschnitt 30 Schilling/m2, neue zumindest 50 Schilling/m2 Miete, am Anfang kommen noch Eigenmittel dazu. Vom Leberberg muß man lernen: Dort gab es weniger Interessierte, als wir Wohnungen gebaut haben. Der Markt beginnt voll zu greifen. Daher gehen wir im Neubau, egal ob Gemeinde oder Genossenschaften, von außen ins Innere der Stadt. Im 16. Bezirk könnten wir die Wohnungen, selbst, wenn sie noch teurer wären, fünfmal vermieten, im elften Bezirk haben wir grundsätzlich, wenn es weiter draußen ist, Schwierigkeiten.

dieFurche: Stichwort Wohnbedarf: Beim Leberberg hat man sich verschätzt, die Neubautätigkeit ist deutlich zurückgegangen. Wieviele Wohnungen braucht Wien wirklich?

Faymann: Die Zuwanderung, die es vor einigen Jahren gegeben hat, gibt es nicht mehr. Die Bevölkerung bleibt gleich. Bei der Stadterneuerung verlieren wir durch die Zusammenlegung von Kleinstwohnungen drei- bis viertausend Wohnungen. Wenn wir vier- bis fünftausend jährlich bauen, ist eine Qualitätssteigerung in der Sanierung und der Ersatz im Neubau gewährleistet. Dazu kommen Bauvorhaben wie Studentenheime, Wohnheime etc. Die würde ich mit 1.000 festsetzen. Ich glaube, daß eine Wohnbauleistung von fünf- bis sechstausend mittelfristig ausreicht. Das würde bei gleicher Bevölkerung genügen, derzeit sind es 7.000.

dieFurche: Das Bevölkerungswachstum in Wien war stark durch den Zuzug von Ausländern geprägt. Die sind sozial bedürftig, fallen oft Spekulanten zum Opfer, haben aber nach wie vor keinen Zutritt in den Gemeindebau, sofern sie nicht eingebürgert sind. Könnte sich das ändern?

Faymann: Wir fördern derzeit etwa 7.000 Wohnungen, davon rund 6.000 Genossenschaftswohnungen. Diese sind für In-und Ausländer gleich zugänglich, es gibt keinen Unterschied. Die Eigenmittelersatzdarlehen, die man, wenn man sie nicht hat, auf die Miete umlegen kann, sind gleich. Es gibt nur später einen Unterschied bei der Wohnbeihilfe. Das heißt, eine neue Genossenschaftswohnung, die wir sonder Zahl bauen, und die sonder Zahl verfügbar ist, steht, wenn man Eigenmittel umrechnet, mit rund 70 Schilling/m2 Miete für in-und ausländische Mitbürger täglich zur Verfügung. Jeder, der in einem Neubauprojekt unbefristet um 70 Schilling/m2 ohne Betriebskosten, Heizung, etc. eine Mietwohnung will, kriegt eine. Das ist eine echte Alternative. Im privaten Althaus zahlen Ausländer oft sehr viel mehr für eine schlecht ausgestattete Wohnung. Ich finde, wir müssen den Ausländern etwas anbieten, deshalb machen wir jetzt eine Informationskampagne in den Gürtelgebieten. Warum ist derzeit diese Gemeindebaudiskussion so geführt? Von den 8.000 alten Wohnungen, die wir pro Jahr vergeben, geht etwa ein Drittel an neue Staatsbürger, ein Drittel an soziale Vereine bzw. Wohnungskommission. Das heißt, es bleibt ein Drittel für Lehrlinge, Jungfamilien und so weiter. Das zeigt Auffächerung der Politik der SPÖ in Wien: Der Gemeindebau übernimmt soziale, treffsichere Aufgaben wie nie zuvor, der Genossenschaftsbau soziale Aufgaben im Bereich der Ausländer wie nie zuvor. 20 Prozent aller Vorgemerkten sind Ausländer.

dieFurche: Aber 70 Schilling/m2 Miete ohne Strom und Betriebskosten ist doch nicht sozial. Mit Familie und mehr Wohnraumbedarf kommt man auf einen erklecklichen Betrag. Warum fördert man nicht mehr 30 Schilling/m2-Objekte?

Faymann: Erstens gibt es alte Genossenschaftswohnungen, die um die 30 Schilling/m2 Miete kosten, da ziehen Ausländer auch ein. Wir können im neuen Gemeindebau erst eine Generation später billigere Mieten anbieten, weil die erste Generation Kredite zurückzahlt. Wenn die Wohnung ausläuft, muß die Miete runter. Die heute als teuer geltenden Wohnungen werden der Stadt als soziales Kapital später zur Verfügung stehen. Daher bin ich kein großer Freund von Abverkäufen. Mit der Subjekt-Wohnbeihilfe für alle, die wir überlegen, könnte man auch Ausländer mehr unterstützen.

dieFurche: Planungsstadtrat Görg schlug vor, das Budget durch einen Verkauf der Gemeindewohnungen aufzubessern. Nach einer Umfrage sind 70 Prozent der Bewohner dafür. Was halten Sie davon?

Faymann: Das fängt bei der Umfrage an. Wenn man Leute fragt, ob sie eine Wohnung kaufen wollen, und ihnen nicht sagt, wie viel es kostet, ist das so eine "No Na"-Frage. Das ist keine Befragung, sondern ein Gag zur Budgetdebatte. Würden wir die Wohnungen verschenken, verschenkten wir das soziale Kapital der Stadt. Der Vorschlag der ÖVP ist, wie ich ihn verstehe, ein symbolischer: Sie sind für das Eigentum. Das nehme ich zur Kenntnis. Für Ausgliederung der Verwaltung zur wirtschaftlichen Führung, daß sich die Häuser selbst erhalten, bin ich natürlich, aber nicht fürs Verschleudern und Verteilen.

dieFurche: Seit 1998 ermöglicht das Bauspargesetz, daß auch Genossenschafts- und Gemeindebauten mit Bauspardarlehen finanziert werden können. Hat sich das ausgewirkt?

Faymann: "Die Zinsen sind so nieder, daß die Bausparverzinsung keine besonders günstige Form mehr darstellt. Daher ist das nur zum Teil passiert. Es gibt Bausparkassen, die vereinzelt Sondermodelle anbieten, sonst ist das irrelevant.

dieFurche: Wie sieht Ihre Vision von Wien aus?

Faymann: Ich wünsche mir eine soziale Stadt, in der es keine Ghettos gibt, die der modernen Architektur Raum neben der alten gibt. Die Stadt müßte kinder- und jugendfreundlicher werden. Die Hauptschwäche des Zusammenlebens ist, daß zwar alles in die Stadt drängt, aber zuwenig Freiräume für Kinder da sind. Das wird durch die Entwicklung ins Innere der Stadt noch dramatischer. Man müßte mehr gemeinsame Spielflächen schaffen.

Interview: Isabella Marboe

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