Lampi und die Belle Époque in Trient

Werbung
Werbung
Werbung

Die norditalienische Stadt hat weit mehr zu bieten als nur Konzils-Schauplätze

Schon Goethe hat sich nicht lange aufgehalten. Die Konzils-Schauplätze: den Dom und S. Maria Maggiore erwähnt er kaum, von den Häusern der Stadt gefiel ihm nur das, von dem es hieß, der Teufel habe es in einer Nacht gebaut. Die Mühe, zum Castello del Buonconsiglio, dem Sitz der Fürstbischöfe hinaufzusteigen, hat er sich nicht gemacht. Bis heute fassen sich die meisten Reiseführer kurz. Man will ja schnell nach Verona, Florenz, Rom ...

Ja, das Konzil, gewiss: 1545 wurde es begonnen, und als es zehn Jahre später endete, waren Gegenreformation und Spaltung der Konfessionen perfekt. Nein, vom Konzil allein kann die Stadt nicht ewig leben. Die Landschaft lockt zu vielen Ausflügen, auch zum Wintersport. Aber der Sommer bietet mehr: Soeben hat man unter dem städtischen Theater die römische Stadt (1. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) so freigelegt, dass sie der Besucher betreten und erleben kann: Reste von Häusern und Straßen, dazwischen einzelne Fundstücke. Anschaulich wird das ganze durch Zeichnungen und eigens für dieses Untergrund-Museum angefertigte Filme. Da sieht man die alten Römer mühsam ihre Karren über die Straßen ziehen, durchs verschneite Gebirge keuchen oder Kämpfe austragen, sieht Wasser durch die Stadt strömen. Über holpriges Gestein erreicht man mühelos das Foyer des Theaters aus dem 19. Jahrhundert, auch wenn drinnen nicht gespielt wird. Aber auch im unterirdischen Tridentum sind Vorträge, Empfänge und andere Veranstaltungen möglich: Die Gegenwart lebt mit der Vergangenheit.

Erst recht in der Bischofs-Burg, die jetzt das Provinzial-Museum beherbergt. Das Bistum Trient war seit Kaiser Konrad II. (1027) und bis Napoleon (1803) ein Lehen des Heiligen Römischen Reiches. Seit dem 13. Jahrhundert wurde an dem festen Schloss gebaut, das die Nord-Süd-Verbindung beherrschte. Immer wieder erweitert, bekam es einen etwas komplizierten Grundriss, den abzugehen man vielerlei Treppen hinauf und hinab bewältigen muss. Es lohnt sich: durch viele Räume mit prächtigen Fresken kommt man in den Adlerturm, dessen spätmittelalterliche Monatsbilder den künstlerischen Höhepunkt bilden dürften. All das hat Goethe sich entgehen lassen, obwohl seine Reise vor dem Ende der fürstbischöflichen Herrlichkeit stattfand.

In diesem Sommer hat das Museum vier repräsentative Räume zur Verfügung gestellt, um einen großen Sohn des Landes zu ehren. Vor 250 Jahren kam in einem Dorf in der Nähe der Maler Giovanni Battista Lampi (1751-1830) zur Welt. Als Sohn eines bescheidenen "Kreuzweg-Malers". Schon früh konnte er die Aufmerksamkeit des regionalen Adels durch seine Porträtkunst erregen. Man schickte ihn nach Wien, wo er kurze Zeit die Akademie besuchte, um sie dann später als angesehener Professor wieder zu betreten. Offenbar von einer Adelsfamilie zur anderen weiter empfohlen, saßen oder standen ihm schon bald Mitglieder der kaiserlichen Familie Modell. Zuerst die unverheiratete Tochter Maria Theresias, Maria Anna, Äbtissin in Klagenfurt. Zu den frühen Meisterwerken darf man wohl das Repräsentations-Porträt Josefs II. (1786) zählen, das den Kaiser im prunkenden Staats-Ornat mit seinen Kronen zeigt: so wie er sich eigentlich nicht sehen wollte. Aber es musste sein. Auch vor Foto und Fernsehen wollte das Volk seine Herrscher sehen. Und das eine Staats-Porträt zog viele Kupferstiche nach sich. (Das Original hängt heute im Wiener Finanzministerium und ist dort offenbar so repräsentativ, dass es zur Ausstellung in Trient nicht beurlaubt wurde). Es folgten die Kaiser Leopold II. und Franz II. (I.) sowie drei von dessen vier Gemahlinnen. Bezaubernd die jung verstorbene Elisabeth Wilhelmine von Württemberg aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Lampis gleichnamiger Sohn G.B. Lampi II. setzte später die Habsburger-Genealogie fort mit dem Herzog von Reichstadt, mit der vierten Kaiser-Gemahlin Carolina Augusta. Der Enkel, G. B. Lampi III. malte den jungen Kaiser Franz Joseph.

Kurz vor Ausbruch der Französischen Revolution nahm sich Lampi senior Urlaub von der Akademie und ging für ein Jahr nach Polen. Seine glanzvollste Zeit waren aber wohl die letzten Lebensjahre der Zarin Katharina II., die er als Hofmaler in St. Petersburg verbrachte: 1792 bis 1797. Prächtige Staatsporträts der nun schon etwas älteren und fülligen Kaiserin, der aber immer noch mit Hilfe des Malers die staatstragende Pose gelang und die auch noch nicht auf ihre Favoriten verzichten wollte.

Lampi kehrte heim nach Wien und überstand auch die schwierigen Kriegsjahre der napoleonischen Zeit. Bis der Wiener Kongress wieder viele Staatsmänner nach Wien und vor seinen Pinsel brachte.

Die Ausstellung in vier Räumen des Schlosses ist gegliedert in die verschiedenen Schaffensperioden, widmet sich auch der Familie und versucht dem Betrachter nebenbei die Arbeitsweise des Künstlers anschaulich zu machen. Einige Leihgaben, etwa aus dem böhmischen Schwarzenberg-Schloss Hluboka, waren zu groß für die Räume. Angedeutet wird auch der Nachruhm. Ergänzend gibt es eine Schau im Geburtsort Val di Non. Vier Jahre Forschungsarbeit gingen der höchst bemerkenswerten Ausstellung voraus. Der vorzüglich gedruckte Katalog, der auch viele Vergleichsbilder zeigt, ist leider nur auf Italienisch erschienen. Er ist als Vorstufe zu einem Werkverzeichnis zu verstehen. (Die Ausstellung ist bis 30. September täglich außer Montag geöffnet)

Wer sich da durchgearbeitet hat, braucht eine Ruhepause, sollte aber Trient nicht verlassen, ohne das Mart, das Museum moderner Kunst besucht zu haben, das am Rand der Stadt in einem ehemaligen Adelspalais untergebracht ist. "Modern" mag für diese Ausstellung der falsche Begriff sein. Aber wann sieht man in unseren Breiten schon einmal italienische Kunst des 19. Jahrhunderts? Die drei, die im Titel der Schau genannt sind, haben sich allenfalls mit Einzelbildern nach München verirrt: Giovanni Boldini (1842-1931), Giuseppe de Nittis (1846-1884) und Federico Zandomeneghi (1841-1917) haben gemeinsam, dass ihnen das Paris der Belle Époque, auch des Impressionismus zur künstlerischen Heimat wurde, ohne dass sie ihre Eigenart aufgegeben hätten. Boldini kam wohl den Impressionisten am nächsten. Er war der Maler der Bewegung, die ihm beinahe zum Selbstzweck wurde, als wäre er am liebsten Filmregisseur gewesen. Pferde waren seine Lieblings-Modelle: vor dem rasant rollenden Wagen, als Reittiere von Dragonern, als Chiffren der Bewegung an sich. Auf dem Ball interessierten ihn tanzende Paare, Damenporträts zeigen (wie der Auftraggeber es wollte) genau durchgemalte Gesichter, darunter aber Roben, die aus Fäden oder Eiskristallen zu bestehen scheinen: alles wie explosiv.

Auch de Nittis haben es die schönen Pariserinnen angetan, die Parks von Paris, die Atmosphäre abendlicher Gesellschaften, die er mitunter auch selbst veranstaltete. Aber er konnte auch, ähnlich wie Monet, Gefallen finden an Westminster im Nebel mit englischen Arbeitern im Vordergrund. Zandomeneghi, der älteste der drei, war ebenso von den Pariserinnen gefesselt wie seine Freunde, traf genau so gut die Atmosphäre der Belle Époque und doch aus ganz anderer Sicht: keine Standesunterschiede, am liebsten erlesene Pastellfarben.

Die Ausstellung sollte für den deutschsprachigen Raum eine längst fällige Entdeckung sein.

Bis 29. Juli täglich außer Montag

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung