Landschaft - © Foto: Pixabay

Land am Atom-Strome

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Nur alte, abgezahlte Atomkraftwerke bringen Geld und können billigen Atomstrom anbieten. Und die österreichischen Stromversorger greifen, so Umweltorganisationen, gerne zu.

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Nur alte, abgezahlte Atomkraftwerke bringen Geld und können billigen Atomstrom anbieten. Und die österreichischen Stromversorger greifen, so Umweltorganisationen, gerne zu.

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Bürgerprotest ist schlecht fürs Geschäft - für jedes Geschäft, aber besonders die Atomindustrie hat in den letzten Jahrzehnten unter der hartnäckigen Kritik von Bürgerinnen und Bürgern gelitten. Kein Zufall also, dass in den letzten 15 Jahren in Westeuropa kein neuer Reaktor in Betrieb genommen wurde, und nur in Finnland an einem neuen Atomkraftwerk gebaut wird.

Kritik an IAEO

Knapp zwei Drittel von weltweit 18.000 befragten Personen sprachen sich in einer im letzten Monat von der Internationalen Atomenergiebehörde (iaeo) veröffentlichten Umfrage gegen die Errichtung neuer Kernkraftwerke aus. Als die iaeo und ihr Chef Mohamed El-Baradei im Vorjahr den Friedensnobelpreis erhielten, wurde das von Kernkraftgegnern kritisch kommentiert, weil die - an sich hoch angesehene - in Wien ansässige un-Behörde ja für die friedliche Nutzung der Atomenergie zuständig ist.

Klimaschutz

Der starke Ölpreisanstieg, vor allem aber auch Klimaschutz-Argumente haben die Atomenergie schon vor dem zum Jahreswechsel eskalierten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine als Energie-Alternative wieder ins Gerede gebracht. Jahrelange Planungs-und Bewilligungsphasen sprechen aber nach wie vor gegen eine Wiederbelebung der Atombranche in großem Stil.

"Nur alte Atomkraftwerke sind Cash Cows", sagt Greenpeace-Energieexperte Erwin Mayer. Denn erst wenn die Errichtungskosten nach Jahrzehnten abgeschrieben sind, so Mayer, lasse sich mit Atomstrom ein Geschäft machen. Den alten Atomkraftwerken ist es auch möglich, mit billigen Stromangeboten auf der Strombörse zu reüssieren. Und die österreichischen Energieversorger greifen gerne nach diesen Atomstromschnäppchen. Laut Berechnungen von Greenpeace und Global 2000 beträgt der von österreichischen Stromkonzernen angekaufte Atomstrom rund 20 Prozent. Bei einigen der regionalen Energieversorger liege der Atomstromanteil sogar bei über 25 Prozent. Rund zehn Prozent des Stroms, der aus österreichischen Steckdosen fließt, rechnet Erwin Mayer der Furche vor, sind Atomstrom. Die anderen zehn Prozent werden von den Stromkonzernen an der Börse weitergehandelt. Den größten Teil ihres Umsatzes machen die heimischen Stromversorger laut Mayer mittlerweile sowieso mit dem internationalen Stromhandel und nicht mehr mit dem Verkauf ihrer Wasserkraft an österreichische Endkunden.

E-Control widerspricht

Trotz Österreichs Anti-Atomkraft-Tradition und der großen Ablehnung von Atomstrom in der Bevölkerung und - zumindest offiziell - in der Politik handeln österreichische Stromversorger also zu einem Fünftel ihres Volumens mit Atomstromanbietern. Einen - wenngleich wesentlich geringeren - Atomstromanteil bei den heimischen Energiekonzernen bestätigt auch die E-Control, die offizielle Kontrollbehörde für den liberalisierten österreichischen Strommarkt. Für Ursula Lackner, bei E-Control für die Berechnung der Stromherkunft verantwortlich, hat Österreich im Europavergleich das "durchgängigste und beste System Europas". Die Zahlen von E-Control hält Lackner deswegen für "inhaltlich korrekt und gesetzeskonform". Den beträchtlichen Unterschied zu den Berechnungen der Umweltorganisationen erklärt sie sich mit "Informationsverzerrungen".

"Buchhalterische Tricks"

Die Stromkennzeichnung in Österreich verdiene diesen Namen nicht, entgegnet Greenpeace-Experte Mayer. Dass bei den österreichischen Stromkonsumenten kein Unrechtsbewusstsein auftauche, hingegen dem Umweltbewusstsein mit jeder Stromrechnung geschmeichelt werde, hängt für Mayer mit der hierzulande praktizierten "Stromwäsche" (siehe Kasten unten) zusammen. Mayer: "Das sind buchhalterische Tricksereien, es kommt nicht weniger Geld bei den akw-Betreibern an. Der schmutzige Strom wird Industrie, Gewerbe und dem Staat verrechnet. Der private Endkunde bekommt - rechnerisch gesehen - sauberen Strom." Mayer gesteht diesen Stromtricks auch zu, völlig gesetzeskonform zu sein: "Aber das Gesetz ist falsch." Und daran wird auch die derzeit noch heftig umstrittene Novelle des Ökostromgesetzes nichts ändern.

Ohne Nachfrage keine AKWs

Das Schwert zum Durchschlagen dieses Stromknäuels sieht der Energieexperte allein in "nicht-handelbaren Ursprungszeugnissen" - damit für jedermann ersichtlich ist, von wo der Strom tatsächlich herkommt. Mayer: "Jeder Strom, der nicht von Atomstromproduzenten fließt, hat enorme Bedeutung. Wir stehen in Verbindung mit der Klimaschutz-Diskussion wieder vor der Debatte, ob Atomstrom das kleinere Übel sein soll. Aber nur der Umstieg auf saubere Anbieter ermöglicht eine Energiewende auf Dauer." Und wo kein Abnehmer, da kein Produzent, je geringer die Nachfrage nach Atomstrom, desto weniger lohnt es sich, Atomkraftwerke in Betrieb zu halten oder gar neue zu bauen.

Info im Internet: www.global2000.at

www.greenpeace.at

www.e-control.at

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