Langeweiler in die Therapie

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Es ist nicht viel los im August, die Zeitungen füllen sich zunehmend mit belanglosen Berichten. Da fällt mir das Buch des englischen Psychiaters D.W. Winnicott in die Hände ("Bruchstück einer Psychoanlayse"). Eine Gruppe anglikanischer Priester hätte ihn eingeladen, erzählt Winnicott; sie wollten wissen, wem durch Gespräche zu helfen sei, wenn jemand in einer Krise zu ihnen komme; und wem nicht zu helfen sei, weil er krank sei und eine Psychotherapie brauche. Winnicott gab eine verblüffende Antwort: "Wenn jemand mit Ihnen spricht, und sie haben das Gefühl, dass er sie langweilt, dann ist er krank. Wenn er aber Ihr Interesse wachhält, dann werden Sie ihm helfen können."

Ich schlage das Buch zu und es fällt mir auf, dass ich mich schon vor der Sauregurkenzeit gelangweilt habe. Zwar waren die Berichte in den Zeitungen vielfältiger und auf sozusagen höherem Niveau, weil auf politischer und internationaler Ebene. Aber die Inhalte, die politischen Statements, Hofberichte aus Regierungskreisen, Einwände der Opposition und Einwände auf die Einwände der Opposition, kirchliche Hofberichte oder Dokumente aus Rom - warum verbreiten sie so viel Langeweile, warum ist es schwierig, aus ihnen die Goldkörner innovativer Ideen herauszufiltern? Winnicott versteht unter solcher Langeweile nicht einfach sommerliche Fadesse. Mit seinen Texten und Reden zu langweilen, heißt um sich eine Mauer bauen, sich abschirmen, um sich nicht dem Risiko von Veränderungen auszusetzen, die stattfinden können, wenn man sich auf ein spannendes, wach haltendes Gespräch einlässt.

Was langweilt, befindet sich in Stagnation. Ein einfaches Unterscheidungskriterium, wenn im Herbst Politik und Kirchenpolitik wieder Tritt fassen und doch nicht vom Fleck kommen. Nicht Propheten und Visionäre, die Langeweiler bedürfen der Therapie.

Der Autor ist freier Publizist.

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