Lausbub für die biederen Meiers

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Seine Ära war schon vor 14 Jahren zu Ende. Sein Tod ruft ihn als Zeitzeugen in Erinnerung: Peter Alexander (1926-2011) verkörperte das unbeschwerte Nachkriegsösterreich.

Ein Lausbub sei er eigentlich geblieben. So die kokette Ansage in jener TV-Produktion, mit der sich Peter Alexander 1996 anlässlich des Siebzigers von der Öffentlichkeit verabschiedete. Die TV-Show zum Achtziger musste ohne den Protagonisten auskommen - außer jenem Video, auf dem der Jubilar zu Hause am Klavier noch einmal "Danke schön, es war bezaubernd“ intonierte.

Wer wollte, konnte letzten Montag auf ORF 2 nachschauen, was Peter Alexander, so alles drauf hatte, präziser: wie er und seine Produzenten - darunter natürlich die wachsame Ehefrau und Managerin Hilde - wollten, dass er in Erinnerung bleibt.

Und da kann die Mär vom ewigen Lausbuben als Stützpfeiler des Images gelten. Beim Lieblingsonkel habe er als Bub einmal den Christbaum erklommen und ein Scherbenmeer aus zerborstenen Glaskugeln hinterlassen; danach habe er noch den Perserteppich des Verwandten unter Wasser gesetzt. Auf diese Weise plauderte Peter Alexander auch in der Abschiedsshow jenes Image herbei, das er in Styling und Auftreten Jahrzehnte gepflegt hatte. Das spitzbübische Lächeln, die Pausbacken, der lang schon unechte Haarschopf: All das gehörte zum Bildes des ewig Junggebliebenen, ein schlaksiger Schwiegersohn in spe, wie ihn sich Österreichs - und Deutschlands - Nachkriegsgeneration erträumte.

Frohsinn und unverkrampfte Biederkeit

Es wurde in diesen ersten Tagen nach Peter Alexanders Tod schon viel gesagt über jene Symbiose aus Wirtschaftswunder, Wiederaufbau und dieser Ausnahmepersönlichkeit von Entertainer. Es könnte gut sein, dass sein Abgang aus der Öffentlichkeit 1996 so etwas wie das endgültige Ende jener Zeit besiegelte: Der Fall der Berliner Mauer war noch in Erinnerungsweite, es galt dennoch, das Kapitel Nachkriegszeit endgültig ad acta zu legen. Dass Peter Alexander sich seither in seiner Verweigerung gegenüber der Öffentlichkeit das so konsequent markierte, sollte ihm angerechnet werden.

Man kann und darf es als Phänomen für sich betrachten, wie der blanke Frohsinn, die Penetranz des Goldenen Wienerherzens, die von ihm zur Schau getragen wurde, sich so lange und so erfolgreich halten konnten. Bekanntlich waren weder die 1950er-, und schon gar nicht die 1960er- oder 1970er-Jahre das reine Vergnügen - aber vielleicht war die Sehnsucht nach unbedarfter Fröhlichkeit gepaart mit dem unverkrampften Setzen auf Biederkeit doch ein Zug jener Zeit.

Peter Alexander wird als Protagonist solcher Lebensart wohl in Erinnerung bleiben - gerade in Kontrast zu anderen Role Models, die sich sehr wohl den Stürmen des Zeitgeistes aussetzten oder aussetzen mussten. Romy Schneider etwa, die - zwölf Jahre jünger als Peter Alexander - in den 1950er-Jahren als Sissi die K.u.k.-Verklärungsindustrie perfekt bedient hatte, entwickelte sich zu einer der großen europäischen Schauspielerinnen; sie wurde jedoch von den Brüchen rund um 1968 und einem tragischen Schicksal eingeholt: So verkörperte sie das Auf und Ab einer Epoche, wohingegen Peter Alexander quasi als einem Antipoden das statische Element einer nicht differenzierenden Weltsicht zuzuschreiben ist.

Zehn Jahre nach Romy Schneiders Aufstieg begann eines Udo Jürgens’ Karriere zu greifen, dessen auch öffentlich sichtbare Lebensauffassung ganz anderen Zuschnitts als die von Peter Alexander war. Mit "Merci Chérie“ (1966) blieb der einzige je für Österreich errungene Sieg beim Eurovision Song Contest Udo Jürgens vorbehalten.

Unermessliche Popularität

Dennoch erreichte Peter Alexander gerade in jenen Jahren als Sänger wie als Filmschauspieler unermessliche Popularität: Waltraud Haas, Conny Froboess oder der niederländischen Kinderstar Heintje sind nur einige der Partner der - je nach Standpunkt - leichten oder seichten Muse, der sich Peter Alexander verschrieben hatte.

Auch wenn sich in den 1960er-Jahren die Jungen in die Fraktionen der Beatles-Verfallenen und der Rolling Stones-Anhänger aufgespalten hatten - in der (ein wenig) älteren Generation herrschten die Peter-Alexander-Fans, denen die Udo-Jürgens-Bewegten nicht grün waren und umgekehrt.

Doch selbst das Publikum mit hauptsächlichem Faible für Pop- und Rockmusik kam dem Schlagerstar nicht aus: Bei keinem Schulball in der Provinz fehlte in den späteren 1970er-Jahren das "Kleine Beisl“ (das bekanntlich auf dem bundesdeutschen Musikmarkt zur "Kleinen Kneipe“ mutierte). Und zu nämlicher Stunde schwang die Landjugend das Tanzbein zu "Mandolinen um Mitternacht“, die einen "um den Schlaf gebracht hatten“, wie Peter Alexander in seinem Gassenhauer "Pedro“ geträllert hatte.

1969 bis 1995 war die "Peter Alexander Show“ in ORF bzw. ZDF on air; sie wurde stilbildend für die TV-Unterhaltung - und fuhr heutzutage unerreichbare Quoten ein: Bis zu 70 Prozent saßen vor den TV-Geräten. Das Erfolgsrezept der "unbeschwerten Fröhlichkeit“ blieb auch für die Show bestimmend - gepaart allerdings mit professioneller Raffinesse: Peter Alexander und seine Showmacher rund um Produzent Wolfgang Rademann wussten, wie ihr Publikum zu fesseln und etwa die Wiener Stadthalle zu füllen war. Nachfahren von Carmen Nebel (ARD) bis Florian Silbereisen (ZDF) können sich nicht mit der handwerklichen Präzision der "Peter Alexander Show“ messen.

Sie kamen alle - Hochkultur wie die Protagonisten der populären Genres: Christa Ludwig sang Duett mit Peter Alexander, Konkurrent Udo Jürgens war da und auch Falco, Österreichs Pop-Exportschlager Nummer eins. Letzteren parodierte Peter Alexander auch selber aufs Trefflichste: Seichte, aber wieder professionellst aufgezogene Parodie wurde ein Markenzeichen der Show.

Man konnte sich da an einem gejodelten Kanon zwischen Peter Alexander und Montserrat Caballé delektieren, aus dem die katalanische Primadonna fast ansatzlos in die Rolling-Stones-Hymne "I can get no satisfaction“ überwechselte. Das gab es ebenso wie eine hart an die Peinlichkeitsgrenze anstreifende Wienertümelei (etwa die entsprechende Vereinnahmung von Country-Legende Johnny Cash anno 1992). Aber auch Harald Schmidt, das televisionäre Lästermaul, verdiente sich als Blödler und Stichwortgeber für Peter Alexander Sporen.

Zwei Fälle fürs Fremdschämen

Peter Alexander hat sich nach 1996 tatsächlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, eine Konsequenz, die in einer publicitygeilen Branche selten zu finden ist. Es wurde mit dem Ableben von Hilde 2003 und dem Unfalltod von Tochter Susanne 2009 zudem ein überschatteter Lebensabend.

Nicht alle akzeptierten den Rückzug: Florian Silbereisen, der erwähnte Epigone, jammerte 2006 in seiner Show, Peter Alexander habe nicht kommen wollen; also ließ er ein angelndes Double des Stars dasitzen, anschließend enthüllte er ein Peter-Alexander-Denkmal. Ein Fall fürs Fremdschämen.

Das gilt auch für Thomas Gottschalks Ergüsse in der Bild-Zeitung, wo der eben abgetretene "Wetten, dass …“-Moderator schrieb: "Peter, wir beide haben immer gewusst: Timing ist alles in unserem Geschäft … Jetzt haben wir das auch wieder ganz gut hingekriegt. Ich habe am Samstag dem Mubarak die Show gestohlen und Du mir am Sonntag die Schlagzeile …“

Die Ära Peter Alexanders ging also schon vor 14 Jahren unwiderruflich zu Ende. Es war sein Tod, der das dieser Tage aufs Neue ins Bewusstsein rief.

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