Lauter kleine Kostbarkeiten

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Damenspenden auf Bällen zu Zeiten der Donaumonarchie.

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Damenspenden auf Bällen zu Zeiten der Donaumonarchie.

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Am Anfang waren es ganz einfache Karten mit dem Verzeichnis der Tänze, die auf einem Ball gespielt wurden. Daraus entwickelten sich bezaubernde kleine Kunstwerke, die Damenspenden. Es sind Kostbarkeiten darunter, entworfen von Künstlern wie Kolo Moser oder Michael Powolny, aber auch liebenswürdiger Kitsch. Über ihren Wert als Andenken hinaus sind sie auch Zeugnisse für das Selbstverständnis der vergangenen Gesellschaft.

Verständlich, daß so manche Dame das Andenken an den schönsten Ball ihrer Jugend sorgfältig aufbewahrt. Aber ausgerechnet ein Herr besitzt eine der größten Sammlungen von Tanzkarten und Ballspenden. Stephan Schwab-Trau stellt nun einen Teil seiner Schätze im Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum aus. Ist diese Sammlung vollständig? "Aber nein", wehrt er fast erschrocken ab. "Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es diese Damenspende, und man bedenke, wieviel Bälle seither stattgefunden haben. Da waren jedes Jahr die Bälle aller Wiener Bezirke, die Veranstaltungen der verschiedensten Berufe, die Offiziere hatten ihre Bälle wie die Studenten und die verschiedenen Vereine. Rechnet man sie zusammen, so kommt man auf ein paar tausend solcher Bälle, und sie alle hatten ihre eigenen Damenspenden."

Begonnen hatte diese Tradition im Biedermeier und erreichte ihren Höhepunkt um die Jahrhundertwende. Die schönsten Damenspenden erzeugte die Firma August Klein am Graben in Wien. Sie war so erfolgreich, daß schon kurz nach der Gründung im Jahr 1845 eine Niederlassung in Paris eröffnet wurde. Was aber war der Zweck dieser kleinen Kostbarkeiten? Sie waren einfach ein Geschenk des Ballveranstalters an die Damen, und nebenbei konnte man damit auch etwas Werbung verbinden, denn die kleinen Geschenke spiegelten in irgendeiner Form die Devise des Balles wider.

Heute kann man mit diesem Material historische Studien betreiben. Da wurde etwa die aufstrebende Technisierung verherrlicht. Rauchende Fabrikschlote oder kleine Kanonen, in deren Rohr sich die Tanzkarte verbarg, wären heute undenkbar. Die elektrische Straßenbahn wurde verherrlicht, und zum Eisenbahnerball 1910 erhielt die Patronesse dieses Ballfestes, Erzherzogin Marie Valerie, ein aus Bronze gefertigtes Mädchen mit Signalstab und Flagge, verziert mit den Initialen des hohen Gastes. Zu den von Sammlern gesuchtesten Stücken gehören die Damenspenden der Concordia-Bälle. Zum Jubiläum des 50jährigen Bestehens dieser Journalisten-Vereinigung im Jahr 1914 wurde als Ballspende ein Buch herausgegeben mit Fotos aller bis dahin verwendeten Spenden soweit sie im Archiv noch vorhanden waren. Doch spiegelte sich in den kleinen Luxusgegenständen auch das Elend der Zeit, die gar nicht so gut war, wie man sie heute romantisch verklärt. Da gibt es eine Ballspende vom Armenball des 1. Wiener Gemeindebezirks von 1892. Da waren aber nicht etwa die Armen zum Tanz geladen. Ganz im Gegenteil, erhöhte Eintrittspreise sollten wohltätige Werke für Notleidende ermöglichen.

Das exklusivste aller Tanzfeste war der "Ball bei Hof", der Hausball des Kaisers, zu dem nur die Hocharistokratie und vielleicht der eine oder andere besondere Gast geladen war. Einen Hauch weniger exklusiv war der Hofball, zu dem auch Offiziere und hohe Beamte Zutritt hatten. Eine eigentliche Damenspende gab es nicht, sondern ein Bonbon in aufwendiger Verpackung, etwa ein Miniatur-Tschako oder ein winziges Samtetui verziert mit dem Bild eines Mitgliedes des Kaiserhauses. Diese "Dehmelcottillons" waren begehrte Mitbringsel der Gäste für ihre Familien, so daß angeblich beim Mitternachtsbuffet eine wahre Schlacht darum entbrannte. Gegessen wurden diese Bonbons so gut wie nie. In den Ballspenden ist auch eine tragische Erinnerung an das Kaiserhaus verborgen. Als Kronprinz Rudolf 1881 in den Tod ging, wurden alle Bälle abgesagt, Ballspenden gibt es aus diesem Jahr fast keine.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war das Ende der Damenspenden und Tanzkarten gekommen. Tanzveranstaltungen sind heute weniger formell, sie sind auch nicht mehr der verkappte Heiratsmarkt, der sie in vergangenen Zeiten waren. Noch gibt es bei großen Bällen Damenspenden. Es sind aber nur mehr Industrieprodukte wie Parfums, mit denen sich eine Firma den Damen bekannt machen möchte. Wer mehr über dieses unerschöpfliche Thema wissen möchte, sollte sich am 10. März um 19 Uhr in die Ausstellung begeben: Stephan Schwab-Treu erzählt Anekdoten zur Ballspendensammlung.

Bis 27. März Montag bis Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 14 Uhr Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, Vogelsanggasse 36, 1050 Wien Gruppenführungen nach Vereinbarung Tel.: 545 25 51 DW 12 oder 34

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