Leben im Maß der Ewigkeit

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Das Buch "Klösterreich" bietet Einblicke in Geschichte, Idee und Praxis des Ordenswesens.

Klöster, Stifte, Abteien strahlen heute wieder eine Faszination aus, die mit allgemeiner kultureller Wertschätzung und mit ansprechenden neuen Marketingkonzepten allein nicht hinreichend erklärt werden kann.

Ohne Zweifel werden hinter Klostermauern mehr denn je nicht nur kostbare Kulturgüter der Vergangenheit gesucht, sondern auch Kräfte geahnt, die jene bewussten und unbewussten Sehnsüchte stillen können, die im säkularen Alltags- und Erwerbsleben, ja sogar inmitten wellnessgetränkter Angebote der Erlebnisgesellschaft leer ausgehen. Selbst hinter der Realität moribunder Verlassenheit des einen oder anderen Klosters ist nicht nur in der Architektur die einstige umfassende Vitalität zu spüren, für die das Wort "ganzheitlich" zutreffend war (und für viele Klöster und Stifte noch immer oder schon wieder zutreffend ist) und ein Geist, den selbst Zeiten des Niederganges nicht auszulöschen vermochten. So stellt heute so gut wie jedes österreichische Stift ein kulturell-geistiges Zentrum dar, das seine Region mit Ausstellungen und Konzerten, mit kreativen und kulinarischen Besonderheiten und nicht zuletzt mit religiösen Impulsen belebt.

Schon in Anlage und Architektur eines Klosters werden Leib, Seele und Geist angesprochen: im Chorgestühl in der Kirche, im Refektorium, im Garten, in der Bibliothek, am Brunnen des Kreuzgangs. Und heimlich beneidet der Besucher jene Menschen, die versprochen haben, ein Leben in gemeinschaftlicher Ordnung, in Gebet und Arbeit inmitten dieser vielfältigen und geistdurchwobenen Schönheit zu führen.

Hochform

Wenn klösterliche Lebensform und die persönliche, illusionslose und konsequente Entschiedenheit des Mönches (oder der Nonne) zu einer Harmonie finden, dann bietet das Klosterleben die "Gewährleistung einer Hochform menschlicher Leistungsfähigkeit", wie es Joachim Angerer, der Abt des Stiftes Geras, in seinem jüngsten Buch "Klösterreich - Geschichte und Gegenwart der Stifte und Klöster in Bayern, Österreich und der Schweiz" formuliert hat. Angerers Stärke in diesem 240 Seiten umfassenden Buch ist seine profunde Kenntnis von Geschichte und Gegenwart des Mönchtums. Sein Hauptanliegen ist nicht, den vielen aufwändigen Bildbänden einen weiteren hinzuzufügen, sondern anhand von über hundertzwanzig Stiften und Klöstern der "alten Orden" (Benediktiner, Zisterzienser, Kartäuser, Augustiner Chorherren und Prämonstratenser) sachgerecht und lebendig zu informieren: über monastisches Leben, angefangen von den spirituellen Wurzeln, bis zu den unterschiedlichen und im Grunde doch ähnlichen Spielarten von Konstitution und Observanz, von den bewegten Gründungs- und Ausbreitungsgeschichten bis zu den politischen und grundherrschaftlichen Verwobenheiten der Stifte, von denen sich Konvente, die "nur" Klöster oder Abteien sein wollen, sanft distanzieren.

Joachim Angerer, gewiss einer der profiliertesten und daher nicht unumstrittenen österreichischen Ordensoberen, scheut sich nicht, in manchen der zehn Kapitel sehr persönlich und ohne Schönfärberei zu schreiben. Und wenn er sich mitunter in einen geselligen Plauderton zu verlieren scheint, findet er rasch wieder auf die Sachebene zurück. Wie er selber schreibt, waren seine wichtigsten Informationsquellen für eine anschauliche Beschreibung einstigen Klosterlebens unzählige Visitationsprotokolle, dennoch werden Skandale nicht ausgebreitet, Missstände aber nicht verschwiegen.

Pracht und Weite

Wie gesagt, "Klösterreich" ist kein Bildband und den vorhandenen Platz teilen sich die Abbildungen und der ziemlich umfangreiche und dicht gesetzte Text geschwisterlich, dennoch vermitteln nicht weniger als 269 Farbbilder - bis auf wenige Ausnahmen alle aus der bewährten Hand von Gerhard Trumler - etwas von der eingangs erwähnten sinnlichen Faszination der Stifte und Klöster im beschriebenen Raum. Trumlers Fotos stehen immer im Dienst des zu Zeigenden und verlieren sich nie im effektvollen Selbstzweck. Markantes Beispiel dafür ist die schöne Serie von siebzehn Bibliotheksaufnahmen, die selbst in relativ kleinen Formaten (wie brächte man sonst 269 Abbildungen auf 240 Seiten!) räumliche Pracht und geistige Weite spüren lassen.

Was sich manche Leserin und mancher Leser (nebst einem brauchbaren Index!) wünschen werden, ist eine ähnlich umfassende Beschreibung der Geschichte von Stiften und Klöstern in unseren ostmitteleuropäischen Nachbarländern. Wenn auch an ihnen noch lange nicht alle Wunden verheilt sind, die ihnen vor allem die jüngere Vergangenheit geschlagen hat, wäre damit ein Schritt näheren Kennenlernens getan und ein Blick in die Seele unserer Nachbarn gewährt.

KLÖSTERREICH

Geschichte und Gegenwart der Stifte und Klöster in Bayern, Österreich und der Schweiz

Von Joachim Angerer (Text) und Gerhard Trumler (Fotos)

Verlag Christian Brandstätter, Wien 2003

240 Seiten mit 269 Farbabb.,

geb., e 37,-

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