Leben in Fülle

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Anmerkungen zum Thema Kirche und Sexualität.

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Anmerkungen zum Thema Kirche und Sexualität.

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Kurt Krenn war schon weg, nun ist er - um mit den Worten eines in manchem ähnlich strukturierten Politikers zu sprechen - wieder da. Fast wie eh und je: uneinsichtig, von sich und seiner Sache überzeugt, unerschütterlich in seiner Mischung aus Selbst- und Gottesgewissheit, nur nicht mehr so kampflustig, müder, älter, bemitleidenswerter.

Man dachte, zu Krenn sei alles gesagt; der Großteil der Katholiken hatte einen modus vivendi gefunden und hoffte auf römische metanoia (Umkehr) - nicht ganz vergebens, wie die letzten Bischofsernennungen zeigten. Nun aber wird die Diözese St. Pölten und mit ihr die gesamte österreichische Kirche von einem Skandal erschüttert, der alles andere überlagert, der, wie viele meinen, die Achillesferse schlechthin der katholischen Kirche bloßlegt: ihr Verhältnis zur Sexualität.

Darum geht es tatsächlich - und in diesem Kontext muss man sich nun auch wieder mit Bischof Krenn als Hauptverantwortlichem des aktuellen Falls auseinandersetzen. Inhaltlich freilich gibt es, siehe oben, wenig Neues dazu zu sagen. Man hofft - zu Recht -, dass der Vatikan nun handelt, sprich: Krenns Tage in St. Pölten gezählt sind. Aber es wäre eine gefährliche Illusion, von der Ablöse des polarisierenden Hirten Wunder zu erwarten. Es ist nämlich nicht so, wie ein Leitartikler kürzlich behauptete, dass die Probleme der österreichischen Kirche einfach den Namen des St. Pöltner Bischofs tragen, auch wenn sich gewiss viele an seiner Person exemplarisch festmachen lassen.

Die eigentlich drängende Frage lautet. Warum gelingt es der Kirche (in den westlichen Industrieländern, vor allem in Europa) nicht, ihre Vorstellungen von Sexualität zu kommunizieren? In den Augen der meisten Katholiken und der überwältigenden Mehrheit aller anderen handelt es sich dabei um ein rigoroses, lebensfeindliches Korsett, das mit dem Totschlagvokabel "Sexualmoral" hinlänglich beschrieben wäre und in Rückzugsgefechten einiger weniger Hardliner so hartnäckig wie erfolglos verteidigt wird.

Das muss man einmal so zur Kenntnis nehmen, bevor man weiter denkt und fragt, wie sich denn einschlägige Überzeugungen in ein offensives Konzept wenden ließen. Dessen Kern müsste darin bestehen, zu zeigen, dass es der Kirche um die Kultur von Beziehungen geht: dass das Werben der Kirche um dauerhafte, verlässliche Verbindungen zwischen Frauen und Männern, stabil genug, um auch gemeinsam Verantwortung für Nachwuchs (wenn von beiden gewünscht) zu tragen, nicht als Einschränkung der individuellen Freiheit gemeint ist, sondern eine Idee von geglücktem Leben beinhaltet. Eine Idee, die nicht jeder teilen wird, und die man natürlich niemandem aufzwingen kann, aber eine, die sich doch mit Gewinn in das gesellschaftliche Gespräch einbringen ließe. Dazu müsste freilich erst die richtige Sprache gefunden werden; Kardinal Schönborn hat beim Requiem für Thomas Klestil eine Ahnung (mehr konnte eine einzelne Predigt nicht sein) davon vermittelt, wie eine solche Sprache klingen könnte.

Hierher, zur "Kultur von Beziehungen" gehörte auch, Formen des Umgangs mit homosexuellen Menschen zu finden, frei von Verlogenheit und Doppelbödigkeit. Das gilt für gleichgeschlechtliche Paare, für die man auch liturgische Zeichenhandlungen als Ausdruck der Integration überlegen sollte. Das gilt aber ebenso für Homosexuelle unter den Ordensleuten und Priestern.

Damit sind wir beim unmittelbaren Anlassfall angelangt, der auch die Frage der Sexualität zölibatär Lebender (ob hetero- oder homosexuell veranlagt) aufgeworfen hat. Nach wie vor scheint plausibel, was etwa Johann B. Metz schon vor Jahrzehnten gefordert hat: eine Trennung von Priesteramt und Zölibat, der dann - als umso stärkeres Zeichen, als spezifisches Charisma - den Ordensgemeinschaften bliebe.

Menschliche Sexualität ist, inner- wie außerhalb der Kirche, "schwierig", geht es doch um Intimstes. Anliegen der Kirche kann auch hier nichts anderes sein, als "dass sie das Leben in Fülle haben". Wer solches sagt, gibt sich - nicht verwunderlich - leicht der Lächerlichkeit preis. Aber ursprünglich war es genau so gemeint.

rudolf.mitloehner@furche.at

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