Leben nach dem Selbstmord

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Marco Bechis zeigt in „Birdwatchers“ den Überlebenskampf von Indigenen in Brasilien – gegen weiße Farmer und gegen den Strick um ihren Hals.

An Aktualität ist der Film „Birdwatchers – Das Land der roten Menschen nicht zu überbieten“. Kein Monat her hat der vom austro-braslianischen Bischof Erwin Kräutler geleitete Indianermissionsrat der Brasilianischen Bischofskonferenz wieder einmal die hohe Zahl von Suiziden unter den Indigenen vom Stamm der Guarani Kaiowas im Bundesstaat Mato Grosso do Sul beklagt. Der gut 27.000 Personen zählende Stamm befindet sich in einem fortschreitenden Prozess der Selbstzerstörung und Gewalt, wird gewarnt. 2008 wurden 34 Suizide und 42 Morde registriert – Morde, die von stammesinterner Gewalt herrühren, aber auch Auftragsmördern von weißen Farmern zugeschrieben werden.

Wegen des sich ausweitenden Soja- und Zuckerrohranbaus kommt es regelmäßig zum Streit um Land zwischen Großgrundbesitzern und Indigenen. Daneben sind zahlreiche Fälle von Sklavenarbeit und Unterernährung, vor allem bei Kindern des Stammes, dokumentiert.

Ausbruch aus dem Reservat

Damit ist das Umfeld beschrieben, in dem der italienische Regisseur Marco Bechis seinen Film angesiedelt, aus dem er den Stoff für sein Drehbuch bezogen hat. Mit einer 35 mm-Kamera, Labtop und Kassettenrekorder besuchte Bechis das Stammesgebiet der Guarani-Kaiowá; und ein Menschenrechtsanwalt, der die Indigenen unterstützt, führte ihm die Tragödie dieses Stammes vor Augen.

Bechis hat diese nun in „Birdwatchers“ für das Kinopublikum aufbereitet. „Birdwatching-Touren“ werden die Ausflüge für Touristen in der Region genannt. Aber nicht nur Vögel sind die Attraktion dieser Fremdenführungen. Scheinbar unvermittelt tauchen auch scheinbar urtümliche Indianer als Fotomotive für die Reisegruppen auf – doch alles geplant, alles gespielt. Nach der Fotosession entledigen sich die die Indigenen ihrer Indianerkostüme, bekommen ein Almosen bezahlt und müssen zurück ins Reservat, wo allein Alkohol Trost verspricht, wenn der Rausch vorbei ist, aber nur mehr der Strick um den Hals einen Ausweg anbietet.

„Wir sind eine Bewegung!“

Der Selbstmord von zwei Mädchen ist der Anlass, dass in Bechis Film eine Gruppe von Indigenen rebelliert, ihr Reservat verlässt und sich auf einem schmalen Landstreifen zwischen Überlandstraße und den mit Zäunen abgesicherten Ackerflächen eines Großgrundbesitzers niederlässt.

„Wir sind eine Bewegung“, sagt der Anführer dieser Gruppe und beansprucht damit für die Indigenen etwas, was ihnen in weiten Teilen der beiden Amerikas nach wie vor abgesprochen wird: ein mit Rechten ausgestattetes Subjekt und nicht nur willfähriges Objekt der Politik zu sein.

Im Gegensatz zu dieser Bewegung zeigt der Film ansonsten Stillstand: Die Fronten sind verhärtet. Jedes zaghafte und nur der sexuellen Anziehung geschuldete Miteinander endet in der Katastrophe. Wieder bleibt Flucht die einzige Alternative. Für die weißen und die roten Menschen – auf zweitere wartet im Urwald aber der gefährlichste Feind: der Strick.

Birdwatchers Das Land der roten Menschen

Brasilien/Italien 2008. Regie und Drehbuch: Marco Bechis.

Verleih: Filmladen. 108 Min.

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