Leichte Unterhaltung als bunter Platzhalter

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Nach der Absage von "Homohalal" zeigte das Volkstheater nun mit "Brooklyn Memoiren" ein leichter konsumierbares Stück Theater.

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Nach der Absage von "Homohalal" zeigte das Volkstheater nun mit "Brooklyn Memoiren" ein leichter konsumierbares Stück Theater.

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Die Absage im Februar kam überraschend, schließlich passte die geplante Premiere von Ibrahim Amirs Stück "Homohalal", ein Drama über Flucht und Migration in Österreich, haargenau ins aktuelle Zeitgeschehen. Aber genau diese Zeitgemäßheit führte zur kurzfristigen Absetzung des Stücks durch Theaterdirektorin Anna Badora. Zu dystopisch sei der Text und der öffentliche Diskurs momentan zu sehr von Hass und Angst geprägt, lautete die Begründung.

Diese Entscheidung, die sowohl von Regie als auch Schauspielern mitgetragen wird, brachte dem Volkstheater viel Kritik, aber auch Verständnis ein. Wie berechtigt die Einschätzung Badoras tatsächlich ist, zeigte sich jüngst bei den rechtsradikalen Ausschreitungen während der Aufführung von Jelineks "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Universität Wien. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie wichtig die künstlerische Auseinandersetzung mit Themen von gesellschaftspolitischer Brisanz ist. Schon deshalb sollte eine Aufführung von Amirs Stück nicht allzu lange auf sich warten lassen. Als Ersatz hat das "Homohalal"-Ensemble mit seinem Regisseur Sarantos Zervoulakos einstweilen das Einwandererdrama "Brooklyn Memoiren" einstudiert.

Bereits 1989 hatte das Volkstheater das Stück im Repertoire, sechs Jahre nach seiner Uraufführung in San Francisco. Es sind die biografischen Reminiszenzen des amerikanischen Erfolgsdramatikers Neil Simon. Vor der Folie von Wirtschaftskrise, Kriegsausbruch und der Shoa erzählt dessen adoleszentes Alter Ego Eugene seine Familiengeschichte inmitten des Migrantenviertels Brighton Beach in New York Ende 1938.

Eine anachronistische Reise

Jungregisseur Zervoulakos macht aus der historischen Textvorlage eine anachronistische Reise durch die Geschichte, die Eugene (Nils Rovira-Muñoz) mit seiner Handycam begleitet und kommentiert. Denn während der Text sich unverändert an Ort und Zeit der Originalvorlage hält, lässt er seine Protagonisten durch einen Container vollgepackt mit Technologien und billigem Hausrat aus den Diskontmärkten des 21. Jahrhunderts turnen. Das beengte Zuhause von Kate und Jack (Anja Herden, Rainer Galke) wäre eigentlich mit den beiden Söhnen schon gut gefüllt, die verwitwete Schwester Kates (Birgit Stöger) mit ihren zwei pubertierenden Töchtern machen die Situation aber noch prekärer. Zum permanenten Platzmangel kommen Existenzsorgen und die Angst um die jüdischen Verwandten in Polen dazu. Nichtsdestotrotz hält die Familie zusammen, auch wenn Eugene Leber und Kraut zum Abendbrot schon nicht mehr sehen kann und lieber ein neues Paar Turnschuhe als noch ein paar polnische Verwandte im Haus hätte. Die Herzenswärme, mit der Simon den tragischen Lebensverhältnissen zwischen Arbeitslosigkeit, Armut und Flucht damals begegnet, begeistert, denn die Nachrichtenbilder von heute am dauerflimmernden Küchenfernseher sprechen von einer ganz anderen Realität.

Der fast 90-jährige Simon war von den 1960er Jahren an ein gefeierter Broadwayund Drehbuchautor. Lange Zeit galt sein Werk als allzu leichte Unterhaltungskost, erst in jüngeren Auseinandersetzungen wird Simons umfassender Blick auf die Gesellschaft gewürdigt.

Auch Zervoulakos lässt in seiner Inszenierung Platz zur Kontextualisierung des Bühnengeschehens, den knallbunten Bildern setzten er und sein Ensemble aber keinen abwechslungsreichen Textrhythmus entgegen. Einzig Galke als erschöpft liebevoller Vater schafft es, seiner Rolle Konturen abzuringen. Langeweile breitet sich an diesem zweieinhalbstündigen Abend schnell aus, dabei liefert die Vorlage doch eigentlich ein Pointenfeuerwerk.

Der gelungenen Idee einer anachronistischen Umsetzung fehlt es an Überzeugungskraft und Griffigkeit, es bleibt bei leicht konsumierbarer Theaterkost und bei einem Platzhalter für ein noch ausstehendes Stück zur Auseinandersetzung mit drängenden Fragen der Gegenwart.

Brooklyn Memoiren

Volkstheater, 1., 3., 4. Mai

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