Maximilian 1 - © Foto: gemeinfrei

Leserreise: Der arme Habsburger im reichen Burgund

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Leserreise: "Auf den Spuren der Habsburger in Belgien" und wie die Erwerbung des Herzogtums, bestehend aus Teilen im Osten Frankreichs und den heutigen Beneluxstaaten die entscheidende Grundlage des künftigen Weltreiches bildete.

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Leserreise: "Auf den Spuren der Habsburger in Belgien" und wie die Erwerbung des Herzogtums, bestehend aus Teilen im Osten Frankreichs und den heutigen Beneluxstaaten die entscheidende Grundlage des künftigen Weltreiches bildete.

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Im Mai 1477 verabschiedete sich der 18-jährige Maximilian, "der letzte Ritter", von seinem Vater Friedrich III. auf der heimatlichen Wiener Neustädter Burg, um nach Gent aufzubrechen, und Maria von Burgund, Alleinerbin und Tochter des letzten Burgunderherzogs; Karl des Kühnen, zu heiraten. Die damit erfolgte Erwerbung des Herzogtums, bestehend aus Teilen im Osten Frankreichs und den heutigen Beneluxstaaten, bildete für das Haus Habsburg die entscheidende Grundlage des künftigen Weltreiches und das Werden einer europäischen Großmacht.

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Die flandrischen Städte wie Brügge, Gent, Antwerpen, Brüssel, Löwen und Mecheln waren durch ein hochspezialisiertes Tuchmachergewerbe und weitreichenden Handel zu Macht und Geld gekommen und hatten die höchst entwickelte Stadtkultur Europas jener Zeit errungen. Ein selbstbewußtes, reiches Bürgertum empfing daher den neuen habsburgischen Landesherrn aus dem ärmlichen Osten des europäischen Kontinents mit Mißtrauen und Widerstand. Maximilian, wegen seiner beginnenden Kriegszüge gegen Frankreich ständig in Geldnot, kam durch seine steigenden Steuerforderungen bald in Konflikt mit den Brügger Bürgern, die ihn 1488 sogar drei Monate gefangen hielten und nur nach großen Zugeständnissen - Freiheit der Städte und Verzicht des Sohnes Philipp auf die Herrschaft in Flandern - wieder freiließen. Sichtbare bauliche Zeichen bürgerlichen Selbstbewußtseins und Unabhängigkeit sind auch heute noch die in jeder Stadt weithin sichtbaren Belfriede, hohe Türme, meist mit umgebender Markthalle als städtisches Zentrum.

Diese geschichtliche Epoche des Übergangs vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit war der Beginneiner langen Herrschaft des Hauses Habsburg in Flandern - und mit der Thronfolge Karls V. (Enkel Maximilians) in Spanien, zugleich Zentrum des habsburgischen Weltreiches. "Auf Habsburgs Spuren in Belgien" hieß daher eine Furche-Leserreise, und unter der fachkundigen Leitung von Grete Kalmar (Ruefa-Reisen) konnten sich die Teilnehmer von der reichen Kultur des kleinen Landes und großen geistigen Kraft dieser Epochen überzeugen.

Brügge, das "Venedig des Nordens", war schon im 13. Jahrhundert eines der Zentren des damaligen Welthandels. Noch heute läßt sich der unverwechselbare mittelalterliche Kern der Stadt mit ihren einzigartigen Handelshäusern am besten durch eine Fahrt auf den Grachten und Kanälen erkunden. Inmitten des alten Stadtkerns liegt der bekannte Beginenhof, einer klosterähnlichen Anlage, die auf die Gründung einer burgundischen Prinzessin zurückgeht und in rund einem Dutzend flandrischer Städte zu finden, als soziale Großtat des 13. Jahrhunderts gilt. Wenig begüterte alleinstehende Frauen und Witwen fanden hier Unterkunft und konnten sich durch Arbeiten wie Stickereien und Klöppeln ihren Lebensabend sichern.

Neben Brügge war auch Gent eine der ganz großen Tuchmacherstädte des Mittelalters. Hier heirateten Maximilian und Maria von Burgund, mit Glockengeläut und Kanonenschüssen wurde Karls Geburt am 24. Februar 1500 im Prinzenhof angekündigt und der Beginn eines "unermeßlich großen Kaiserreiches, in dem die Sonne nie untergehen würde".

"Was Maximilian wurde, verdankt er Burgund" schrieb schon Hugo Hantsch in seiner "Geschichte Österreichs" (1947).

Die Hansestadt Antwerpen wurde nach der Versandung des Brügger Hafens zum bedeutendsten Handelshafen Belgiens und Mittelpunkt des Welthandels mit frühkapitalistischen Zügen. Die weitreichenden Handelsverbindungen brachten schon im Mittelalter eine erste "Globalisierung" der wirtschaftlichen Beziehungen mit sich.

So wie der Handel waren die flandrischen Städte auch Zentren für Architektur (Gotische Giebelhäuser), Malerei und Kunst des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit, von Humanismus und Renaissance. Van Dyck, Hubert und Jan van Eyck, Hans Memling, Rubens (mit dem Rubens-Haus in Antwerpen) sind mit dieser Epoche ebenso verbunden wie Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer sowie der große Humanist Erasmus von Rotterdam.

"Was Maximilian wurde, verdankt er Burgund" schrieb schon Hugo Hantsch in seiner "Geschichte Österreichs" (1947). Burgund, das keine staatliche, nationale oder kulturelle Einheit bildete, bedeutete aber für die Familie Habsburg nicht nur ein reiches finanzielles Erbe, sondern war auch eine ungeheure Bereicherung auf künstlerischer und kultureller Ebene. Die Gründung der Hofmusikkapelle durch Maximilian sollte ein erstes Zeichen sein, die späteren Kaiser Leopold I. und Josef I. gingen als berühmte Komponisten in die Musikgeschichte ein, Maria Theresia liebte Klavierspiel, sang im Chor und glänzte bei Theaterrollen.

Nicht zuletzt soll die sprachliche Begabung der Habsburger auf das burgundische Erbe zurückgehen. In dem Glauben, diese herausragenden Fähigkeiten in der Familie zu bewahren, wurden zahlreiche Ehen der Habsburger - neben politischen Gründen - im engsten Familienkreis geschlossen. Unausweichliche Folgen dieser Inzucht (wie Don Carlos) ließen nicht lange auf sich warten.

Nachdem Karl V. 1517 nach Spanien gesegelt war, um dort die Herrschaft anzutreten, und sein Bruder Ferdinand I. den österreichischen Teil des Habsburgerreiches erhielt, wurden die "niederen Lande" (die heutigen Beneluxstaaten) nun von habsburgischen Statthaltern regiert. Eine Flut von Baueraufständen, Städterevolten und Glaubenskämpfen mit der Ausbreitung des Protestantismus sollte über das Reich hereinbrechen und die nachfolgenden Epochen beherrschen.

1507 wurde Margarete von Österreich, die Tochter Maximilians als Generalstatthalterin der Niederlande eingesetzt. Noch heute kann man ihren Hof in Mecheln besichtigen, nach altburgundischer Tradition errichtet, dient er heute als Justizpalast. Als Witwe erzog sie die Kinder ihres früh verstorbenen Bruders Philip (Karl V. und seine drei Schwestern) und vermittelte in der Auseinandersetzung mit Frankreich den "Damenfrieden von Courtray". Die Frauen der Habsburger-Herrscher erwiesen sich oft als klügere Diplomatinnen in den zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen Reich und Frankreich sowie im spanischen Erbfolgekrieg, Maria von Ungarn (Schwester Karls V. und Gattin Ludwigs II. von Ungarn) und Margarete von Parma (uneheliche Tochter Karls V.) folgten Margaethe von Österreich als Statthalterinnen in Flandern.

Die Epoche der Statthalter sollte erst mit der Zeit Napoleons und der Abdankung Franz I. als römisch-deutscher Kaiser (1806) enden. 1830 schließlich wurde Belgien in einem von Frankreich unterstützten Aufstand als unabhängiger Staat ausgerufen und Leopold I. aus dem Hause Sachsen-Coburg zum neuen belgischen König gewählt.

Im Jahre 2000, zum 500. Geburtstag Karl V., wird in ganz Belgien dem habsburgischen Erbe in zahlreichen Festivals und Veranstaltungen gedacht werden. Das Zentrum der heutigen Europäischen Union hat nicht vergessen, daß es mit dem Hause Habsburg vor Jahrhunderten schon Zentrum eines Weltreiches war.

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