Liebe in heldenhaften Zeiten

Werbung
Werbung
Werbung

Kleist als Romantiker: "Amphitryon" im Theater in der Josefstadt.

Im aussagekräftigsten Schlusswort der dramatischen Weltliteratur führt Alkmene die Bedeutung unserer Suche nach der aufrichtigen Liebe ihrem Sinn zu: "Ach!" Im Theater in der Josefstadt wirft es Katharina Zapatka zugleich bedeutungsschwer wie inhaltsleer als entbehrliche Überforderung an die Schauspielkunst weg. Wo es doch als Frage interpretiert - "Ach?" - die eigentliche Liebessuche in den Köpfen der Zuschauer gleich einem Fortsetzungsroman eröffnen möchte. Denn an den sich wandelnden Code der Institution Ehe, die ab dem 18. Jahrhundert die Liebe inkludieren sollte, hatte auch Heinrich von Kleist seine Fragen. Was steht zuerst: die Verpflichtung dem Schein, dem Gatten, gegenüber oder der Gefallen am Mann, wer auch immer er sein mag? Ob Gott, ob Mensch, wo ist das Gefühl Täuschung oder gar Getäuscht-Sein?

Die Romantik hat es Regisseur Janusz Kica angetan. Keine heitere Verwechslungskomödie inszeniert der Peter Stein-Schüler, sondern er lässt sich ganz von der Lieblingssituation der Romantik, dem Doppelgängermotiv, treiben. Die Dualität des Menschen, die Gespaltenheit des Ich, teilt sich in Kleists so genanntem Lustspiel "Amphitryon" in ein göttliches (und dennoch liebesbedürftiges) und irdisch-bodenständiges. Die komische Figur Sosias neben dem idealisierten Helden Amphitryon.

Kica inszeniert seinen Kleist auch als einen Fall für Freud. Hinter der zweistöckigen Häuserfassade (Bühne: Kaspar Zwimpfer) eines nüchtern-modernen Baus verbirgt sich die Sehnsucht nach dem Glück: Alkmene. Immer, wenn sie in Aktion tritt, dringt der helle Schein dieser Sonne ("Mein Licht", nennt sie der Göttervater Jupiter, denn "wie langweilig ist auch der Olymp ohne die Liebe!") durch die milchgläsernen Fenster, und romantische Klaviermusik (Arturo Annecchino) schafft die Atmosphäre eines fernen und doch so nahen Glücks.

Katharina Zapatka spielt die Begehrenswerte, eine schöne Erscheinung, stets in türkisblaue Kleider (Kostüme: Alfred Mayerhofer) gehüllt, gleich einer Meerjungfrau. Mit waghalsigsten Ausschnitten erweckt sie die männliche Begierde, während sie als trügerisches Versprechen mit einem weißen Vögelchen am Finger über die Josefstädter Bühne schwebt.

Das Ensemble gefällt sich in seiner romantisierenden Ästhetik: Katharina Zapatka verliert sich im hehren Kleist'schen Versmaß, in dem sie keinen echten Ton findet. Die schönen Worte aus der fernen Zeit wollen denn auch verstanden und nicht nur hübsch aufgesagt werden, womit auch Michael Dangl als eitler Jupiter seine Schwierigkeiten hat. Herbert Föttinger ist daneben ganz der donnernde Thebanerfeldherr Amphitryon, dessen aufkeimende Selbstzweifel keine neuen Facetten eröffnen, sondern allein Niedergang und Versagen bedeuten. Ein Held eben. Doch neben den romantischen Vorbildern, an deren Oberfläche Kleist recht ironisch kratzt, besteht die Dienerschaft Charis (Katrin Stuflesser), die von Götterboten Merkur (Stefan Matousch) zurückgestoßen, den wahren Gatten wieder lieben lernt. Sosias ist Diener durch und durch, der sein gedoppeltes Ich nicht einmal auf die tägliche Portion Alkohol zurückführen kann. Siegfried Walther mit seinem großen komödiantischen Talent ist als Sosias der wahre Vermittler des Abends. Walther versteht und verständigt zwischen selbstgerechten Göttergatten und dem Josefstädter-Publikum, das ihm die Komik in all der schönen Romantik dankte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung