Liebe, Leidenschaft & Leichen

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Umjubelte Schimmelpfennig-Uraufführung am Wiener Akademietheater.

Das Stück schleicht auf Komödienpfoten daher und endet wie eine griechische Tragödie à la Medea. Langer Applaus am Ende der Uraufführung im Wiener Akademietheater bewies, dass Roland Schimmelpfennig mit "Die Frau von früher" attraktive Konfektionsware für das heutige Publikum gelungen ist.

"Die Frau von früher" heißt Romy Vogtländer und steht eines Tages vor der Tür von Frank und Claudia, die kurz vor dem Übersiedeln in ein fernes Land stehen und bereits den Großteil ihrer Habseligkeiten einer Spedition anvertraut haben. Romy erinnert Frank daran, dass sie einander vor 24 Jahren ewige Liebe geschworen haben. Er soll die Zeit dazwischen - seine Ehe mit Claudia und seinen Sohn Andi - aus seinem Gedächtnis streichen und ihr folgen. Doch als Frank nach langem Zögern endlich dazu bereit scheint, noch gar nicht ahnend, dass Romy in ihrer Leidenschaft schon den Sohn ermordet und Claudia eine tödliche Falle gestellt hat, erkennt Romy, dass er nicht mehr der Mensch von früher ist. Da er sich an ihre einstigen schönsten Stunden gar nicht mehr erinnern kann, lässt sie ihn "mit nichts alleine" zurück. Als er die Leichen findet, bricht Frank zusammen.

Rasche Szenenfolge

Auf der Containerbühne von Katrin Brack - der Deckel wird zu Beginn nach vorne geklappt und gibt den Blick auf einen Korridor mit mehreren Türen frei - hat Stephan Müller das Stück, wie es im Programm abgedruckt ist, inszeniert. Die Dramaturgie kommt einem jungen, an rasche Filmsequenzen gewöhnten Publikum entgegen: Die Szenen werden häufig durch Zeitsprünge in die Vergangenheit, aber auch in die Zukunft unterbrochen, der Zuschauer weiß dadurch manchmal mehr, manchmal weniger als die Bühnenfiguren.

Was nicht im Korridor, sondern außerhalb des Hauses passiert, erfährt man von Andis Freundin Tina, die immer wieder aufgeregt als Erzählerin auf die Vorbühne läuft. Andis Ermordung wirkt wie eine Bestrafung, weil er sich ähnlich wie sein Vater verhalten hat: Andi hat Romy davon erzählt, dass er Tina gesagt hat, er werde sie immer lieben, dann aber hat er sich ohne jede Reue von Romy verführen lassen. Als Mordinstrument darf ausgerechnet jene Plastiktüte aus Paris herhalten, die Claudia 19 Jahre als Erinnerungsstück aufbewahrt hat.

Beklemmende Spannung

Ob das Stück die Menschen von leichtfertigen Treueversprechen oder Illusionen darüber, wieviel nach 24 Jahren von einer Person verändert ist, abhält oder überhaupt abhalten will, sei dahingestellt. So irrational, unrealistisch und zum Teil auch dem Theater des Absurden verwandt das Stück manchmal anmutet, es erzielt dank durchwegs exzellenter, mitunter offensichtlich bewusst überzogener Darstellung eine beklemmende Spannung. Markus Hering (Frank) schwankt gekonnt zwischen Hilflosigkeit und Aufbegehren, Regina Fritsch (Claudia) mimt seine reizbare, eifersüchtige und dominante Gattin. Christiane von Poelnitz (Romy) bricht stur mit psychopathischen Zügen in die schon brüchige Ehe ein und verlässt schließlich desillusioniert das Haus. Und auch Philipp Hauß (Andi) und Elisa Seydel (Tina) holen fast alles aus ihren Rollen heraus. Die Uraufführung endete mit viel Jubel und Bravorufen seitens des Publikums.

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