Literatur gegen Kampfparolen

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Prominente Autorinnen und Autoren von Slowenien bis Amerika prägten die Literaturtage „Sprachsalz“ in Hall. Und auch der heimische Wahlkampf hinterließ seine Spuren.

Der Auftakt war ziemlich ungemütlich, und zwar wegen des Inhalts: Felix Mitterer las aus seinem Stück „Der Patriot“, eine Montage von O-Tönen des Bombenattentäters Franz Fuchs, und auf der Terrasse des Parkhotels war es trotz der vielen Zuhörerinnen und Zuhörer auffallend still.

Die Fuchs’schen Unsäglichkeiten derart komprimiert wieder zu hören, war schwer auszuhalten. Aber dennoch und gerade deswegen gelang Mitterer damit ein passender Start für ein Literaturfestival in Zeiten der Kampfparolen. Es ist Aufgabe von Kulturveranstaltungen, den Blick auch auf die Sprache zu werfen, die von Wahlplakaten und aus Wahlveranstaltungen entgegenschreit. Denn sie zu übersehen ist auch Politik.

Die bevorstehenden Wahlen haben dieses Jahr daher ein paar Spuren in den Internationalen Literaturtagen „Sprachsalz“ hinterlassen, die von 12. bis 14. September im wunderschönen Hall in Tirol stattfanden und bei denen eine Autorenlesung der anderen folgte. Der irische, in New York lebende Schriftsteller Colum McCann las am Freitagabend in der „Wäscherei P.“ aus seinem Roman „Zoli“: die berührende Geschichte einer in der Nähe von Bratislava geborenen Roma, die den Holocaust in den Wäldern überlebte und nach dem Krieg das Land und ihre Sippe verlassen musste. „Flucht ist kein Verbrechen“ projizierten die Veranstalter an die Wand.

„Sprachsalz“ bietet jedes Jahr im September – heuer schon zum sechsten Mal – die Gelegenheit, ein paar Tage mit den Autoren zu verbringen und mit ihnen in den Pausen zwischen den kostenlosen Lesungen, die im Stundentakt stattfinden, auch ins Gespräch zu kommen. Nach Hall wurden diesmal Autoren wie Otto de Kat, Britta Fugger, Catherine Guillebaud, Bodo Hell, Michal Hvorecký, Drago JanÇcar, Werner Kofler, Urs Mannhart, Gerhard Ruiss, Klaus F. Schneider, Erasmus Schöfer, Margit Schreiner, Monique Schwitter, Markus Werner und der am Sonntag auftauchende Überraschungsgast Eckhard Henscheid gelockt. Mit Charles Plymell war die Hippie-Bewegung anwesend, mit Nora Gomringer eine Sprachkünstlerin und Vortragsakrobatin, die am Sprachsalz-Abend nach acht Lesungen und nach 22 Uhr noch ihre Zuhörerinnen und Zuhörer zu begeistern wusste. Dieser Samstagabend war überhaupt äußerst kurzweilig.

So ernst der erste Auftritt Felix Mitterers am Freitagnachmittag war, so erheiternd war sein letzter Auftritt am Sonntagnachmittag. Schuld daran war, wie der zu seinem eigenen Gespräch zu spät kommende Mitterer sagte, Colum McCann und zunächst ein österreichischer, dann ein irischer Whiskey, den sie in der Nacht davor oder besser gesagt in den frühen Morgenstunden verkostet hätten. Mitterers erster Satz am Podium: „Kann ich einen Kaffee haben, bitte?“

Das folgende Gespräch mit Martin Sailer war eines der besonderen Gustostückerl dieser Tage. Mitterer erzählte von seinem Fluchtversuch als 16-jähriger Schüler, mit langen Unterhosen in der Tasche (denn in England ist es doch kalt im Oktober), von elf Jahren Job im Zollamt, wo er Zölle ausrechnete, und von seiner Faulheit: Er würde gerne diszipliniert schreiben können wie Thomas Mann: „Zehn Seiten schreiben, und aus die Maus.“ Auf Martin Sailers Feststellung, wenn Mitterer seine Memoiren schreiben würde, was er ja nie täte, dann wäre der passende Titel dafür wohl „Schuld und Bühne“, lachte Mitterer laut auf: ja, weil er immer einer Bühne ein Stück schuldig sei. Er sei immer im Verzug.

Sympathie hätte Mitterer wohl auch mit dem Antiquar gehabt, der jenen Zettel bei seinen Büchern hinterlegte, der auch am frühen Nachmittag noch seine Geltung hatte und von der Stimmung dieser Tage zeugte: VERKÄUFER (DER MIT DEM KAPPERL) SITZT AN DER BAR UND TRINKT SEINEN MORGEN-KAFFEE.

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