Reisende - © Foto: Getty Images / Print Collector / Ann Ronan Pictures

Beefsteak zum Wagner-Medley

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Kurz nach Veröffentlichung von „Drei Mann in einem Boot“ brach Jerome K. Jerome Richtung Bayern auf. Sein Reisebericht über diese „Pilgerfahrt“ nach Oberammergau liegt nun erstmals auf Deutsch vor.

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Kurz nach Veröffentlichung von „Drei Mann in einem Boot“ brach Jerome K. Jerome Richtung Bayern auf. Sein Reisebericht über diese „Pilgerfahrt“ nach Oberammergau liegt nun erstmals auf Deutsch vor.

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An seinem Zielort ist der Pilger – rein etymologisch betrachtet – ein „Fremdling“. Das hat er zwar mit allen Reisenden gemein, nicht aber das Motiv des Aufbruchs. Den wahren Pilger treiben fromme Wünsche an geweihte Orte: ein Gelübde, eine Buße oder die Suche nach Heil, nach innerer Erneuerung. Der englische Schriftsteller Jerome K. Jerome (1859–1927) war vieles, aber kein Pilger dieser Kategorie. Zwar stammte er aus gottesfürchtigem Haus, doch Protestanten sind für Wallfahrten nicht eben berühmt (sein Vater war übrigens als Prediger gescheitert, wie zuvor schon als Kohlengrubenbetreiber). Nein, Jerome K. Jerome hielt es lieber mit Kneipen denn mit Kirchen.

Und so ist der Titel seines 1891 erschienenen Buches „The Diary of a Pilgrimage“ im ironischsäkularen Sinne zu verstehen, mochte die Fahrt auch zu einem Kultort geistlicher Prägung geführt haben, nämlich zu den Passionsspielen in Oberammergau. Das äußerst lesenswerte Reisetagebuch liegt nun erstmals auf Deutsch vor, in der schönen Übersetzung von Alexander Pechmann: „Zwei Mann auf Pilgerfahrt“. Die Idee zur Reise stammte von einem Freund des Autors, im Buch stets „B.“ genannt. Jerome, geboren in den West Midlands, zögerte nicht lange – er wollte schon immer ein „großer Reisender“ werden. Dem Engländer liegt das Fernweh ja gewissermaßen im Blut.

Erste literarische Gehversuche

Als Jerome K. Jerome 1890 nach Bayern aufbrach, hatte er bereits einen Weltbestseller komischer Literatur gelandet: „Three Men in a Boat“. Dem Erfolg gingen bewegte Zeiten voran. Der frühe Tod des Vaters hatte den Sohn zum Schulabbruch und Broterwerb gezwungen. Mit dem Einsammeln herabgefallener Kohlestücke entlang der Gleise verdiente er sein erstes Geld, danach als Kanzleischreiber. Doch seine Begeisterung für das Theater trieb ihn aus der Stube. Drei Jahre lang tingelte er mit einer Schauspieltruppe durchs Land und träumte von einer Karriere als Theaterschriftsteller. In der Folge arbeitete er als Journalist, Lehrer und Sekretär. Seine ersten literarischen Gehversuche – Kurzgeschichten, Essays und Satiren – stießen auf keine Resonanz. Den Durchbruch brachten 1885 seine komischen Erinnerungen an die Laienschauspielerzeit: „On the Stage – and Off: The Brief Career of a Would-Be-Actor“. Humoristisch ging’s weiter, mit der EssaySammlung „The Idle Thoughts of an Idle Fellow“.

Und 1889 folgte der Superseller, „Three Men in a Boat“, zu dem Jeromes Hochzeitsreise (eine Bootsfahrt auf der Themse) die Inspiration lieferte. Der Erfolg von „Drei Mann in einem Boot“ stellte das übrige, keineswegs nur humoristische Werk in den Schatten. Komik ist auch ein wesentliches Element des Reisetagebuchs „Zwei Mann auf Pilgerfahrt“. Zunächst hatte Jerome in der Zeitschrift Theatre über das Passionsspiel berichtet; die Professionalität der Laienschauspieler und der krude Realismus der Aufführung hatten ihn tief beeindruckt. Im Reisetagebuch sparte er allzu drastische Szenen aus, sie hätten sich schlecht auf die komischen Passagen gereimt. Doch Jeromes spezieller Humor überforderte die viktorianische Kritik, sie hieß ihn einen ungehobelten, bildungsfernen „Cockney-Pilger“. Dass ihm der Pfad der reinen, sittigen Gelehrsamkeit zu schmal war, machte der Autor freilich schon im Vorwort deutlich: Gewiss, sein Reisejournal solle ein „vernünftiges“, den Horizont erweiterndes Buch sein, dennoch wolle er den Leser nicht in Wissen ersäufen oder ihm „zu viel Stoff zum Nachdenken“ geben.

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