Forelle blau - © Elisabeth Schutting

Forelle blau

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Julian Schutting über eine Photographie von Elisabeth Schutting.

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Julian Schutting über eine Photographie von Elisabeth Schutting.

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In Amstetten zu Besuch. dort neue Arbeiten von Elisabeth Schutting auf ihrem Laptop zu sehen bekommen, auch eine Photographie, die von mir geehrt gehört:

Es ist nicht die vielmals als launisch
Besungene, aber eine, vielleicht
– wie vielleicht einstmals auch jene eine –
eine Forelle blau zu werden ausersehen.
in mißliche Rückenlage geraten
wie manch ein Käfer, aber als Ganzes gekrümmt,
als wäre sogleich aufzuschnellen,
als wäre mittels energischen Schlagens
der Schwanzflosse gegen die Luft
der halb aufgerichtete Körper herumzudrehen.
unregen Blutes sie Betrachtendem
es aber sich zu erinnern mißlingt,
ob einstmals auf der bei Greinsfurth vergifteten Ybbs
die umgekommenen Weißfische
in Seitenlage oder doch mit aufgetrieben
nach oben gehobenen Bäuchen dahingetrieben sind.
die da gemahnt dich
trotz fischiger Körperbeschaffenheit an jene Kälber,
für den Kehlschnitt an der Gurgel gepackt.
denn dann erst siehst du die Photographierte
in einem ihr vorbehalten gewesenen
genetzten Säckchen wie in einer Hängematte ruhen,
in demselben als eine von vielen gleich isolierten
tiefgekühlt gekauft worden.
der Blickwinkel ihrer Wiedergabe bedingt,
daß man nur das eine Auge
ins Leere starren sieht.

Ein kleiner Schock für mein visuelles Gedächtnis
die mir nun ausgedruckt nachgekommene Forelle –
als hätt ich vor wenigen Wochen auf dem Bildschirm
einen anderen Fisch vor Augen gehabt!
die Forelle da läßt es sich wie eine auf Meereswogen
schaukelnde Venus gutgehen in ihrem Privatbad,
räkelt sich genießerisch in einer tintenblauen Wanne,
wie ihren Körpermaßen abgelauscht,
aus samtigen Stoffbahnen angefertigt worden.
soll der durchsichtig ihr beigegebene Vorhang sie vor zu viel Sonne
schützen oder zum Plaisier der von Grapschern Unerreichbaren
au contraire indiskrete Blicke auf ihre Nacktheit locken?
und wellt sich ihre Wanne, als bestünde sie aus tintenblauem Wasser?
vermutlich genießt die Schöne ihre Reize in einer Badetasche!
der Moment ihrer Weibwerdung sei da Bild geworden:
wie keine einzige Seejungfrau stößt sie
ihren Fischschwanz von sich, und der macht sich auch schon
in die Lüfte davon, aufgerichtet wie der Pinsel
des Malers während ihrer Beglotzung –
hieße sie badende Venus denn in Wahrheit Susanna im Bade?
an ihrer Haut klebt noch die sogleich gänzlich
hinter sich gebrachte fischige Existenz – gleich wird dir so sein,
sie schaue dich aus zwei, aus zweierlei Augen an,
was immer das zweite in Wahrheit ist,
an ihrer Kehle wie ein Abszeß aufgegangen.
am Horizont, zu einem blauen Tafelgebirge geworden,
der ihr geraubte Heimatfluß.
(was diesmal einzig stimmt, das sind die Spritzer
am genetzten Vorhang: wasserblau, daher gewiß nicht
Blut der Erschlagenen)

Der Autor ist Schrift­steller. Zuletzt erschienen die Gedichte „Unter Palmen“ (2018).

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