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Franz Kafkas gesammelte Werke

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1. Band: „Der Prozeß“. S.-Fischer-Verlag. Lizenzausgabe von Schocken Books, New York. Herausgegeben von Max Brod. 328 Seiten

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1. Band: „Der Prozeß“. S.-Fischer-Verlag. Lizenzausgabe von Schocken Books, New York. Herausgegeben von Max Brod. 328 Seiten

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in einem Brief aus dem Jahre 1934 schrieb Franz Werfel: „Als ich vor einem Viertel Jahrhundert das erstemal Franz Kaflca von Angesicht sah, wußte ich sofort, daß er ,ein Bote des Königs' ist. Dieses Gefühl habe ich in seiner Gegenwart niemals verloren. In meinem Verehrungs- und Liebesgefühl für ihn war immer ein fremdartiger Schauer eingemischt. Die andern erfreuten sich damals mit ästhetischem Entzücken an seiner sogenannten Originalität ... in mir aber war eine Ahnung, daß es sich nicht ganz um einen Menschen handle, sondern um ein Wesen, dem in tragischer Weise zu viel von Ubernatur zuteil geworden sei.., Dieses Abstandes zwischen ihm und mir, der ich nur ein Dichter bin, war ich mir immer bewußt...“ Reduziert man dieses überschwängliche Werfeische Urteil auf das Wesentliche, so bleibt der — übrigens auch von anderen Freunden Kafkas bezeugte — Eindruck einer ungewöhnlichen, befremdlichen Erscheinung, ein überaus starker, aber zwiespältiger Eindruck, der sich auch dem Leser des Dichters Franz Kafka mitteilt. So ist es nicht zu verwundern, daß die Kafka-Literatur, insbesondere die philologischen psychologischen, philosophischen und theologischen Kommentare, bereits eine kleine Bibliothek füllen. Soviel man während der letzten Jahre in Zeitschriften des In- und Auslandes über Kafka lesen konnte, so unzugänglich war sein W e r k, es war gleichsam nicht existent. Denn die ersten noch zu Lebzeiten des Dichters erschienenen Bücher (in den Verlagen Rowohlt, Kurt Wolff und Die Schmiede) sowie die in kleineren Zeitschriften verstreuten kürzeren Prosastücke waren seit vielen Jahren vergriffen, desgleichen eine erste, von Max Brod veranstaltete, steckengebliebene Gesamtausgabe. 1935 bis 1937 konnte der Schocken-Verlag in Berlin — freilich mit empfindlich eingeschränkten Absatzmöglichkeiten — eine Neuauflage herausbringen, mit der er einige Jahre später nach New York übersiedelte. Dort begann 1946 eine dritte Edition zu erscheinen, die für Durchschnittseuropäer wegen ihres hohen Preises unzugänglich blieb. Der immer wieder geäußerte dringende Wunsch nach einer europäischen Lizenzausgabe wurde durch den Bermann-Fischer-Verlag erfüllt, der als ersten Band den zweiten Roman Kafkas „Der Prozeß“ vorlegt.

Die Existenz der drei großen Romanfragmente von Franz Kafka sowie der Tagebücher und zahlreicher kleinerer Prosastücke danken wir dem vertrauten Freund, Verehrer und Kommentator des Dichters, Max Brod. Er nahm es auch auf sich, Kafkas letzten Willen, demzufolge alles in seinem Nachlaß Verbliebene an Manuskripten, Tagebüchern und Briefen zu verbrennen sei, nicht zu erfüllen. Weshalb er so handeln durfte, erläutert Brod in dem ersten von den drei der vorliegenden Ausgabe beigegebenen Nachworten. Desgleichen rechtfertigt Brod seine Herausgabetechnik und verweist auf die Schwierigkeiten, die sich zum Beispiel bei der Anordnung der einzelnen Kapitel ergaben, die, von Kafka zwar mit Uberschriften versehen, aber nicht numeriert wurden. Mit einer einzigen Ausnahme scheint diese Reihung den Plänen des Dichters zu entsprechen. Sieht man von einzelnen Überarbeitungen ab, welche Kafka an dem Manuskript vielleicht noch vorgenommen hätte, sowie von einem fehlenden vorletzten Kapitel, so kann der Roman „Der Prozeß“ als vollständig gelten. Einige Fragmente teilt Brod im Anhang (S. 275 bis 304) mit und fügt diesen mehrere kürzere, vom Autor gestrichene Stellen an. (S. 304 bis 311): der Umfang der fragmentarischen Teile ist gegenüber dem vollendeten gering.

Leider vernichteten Kafka selbst und eine ihm in den letzten Jahren nahestehende Frau einen Teil seiner Aufzeichnungen, insgesamt zehn Quarthefte und einige Schreibblocks. Die beiden großen Romane „Das Schloß“ und „Der Prozeß“ befanden sich seit 1920 beziehungsweise 1923 bei Max Brod, der den Nachlaß Kafkas zu folgenden Bänden zusammenstellte, die im Laufe der nächsten beiden Jahre auch in der Lizenzausgabe erscheinen werden: „Das Schloß“ — Tagebücher — Erzählungen und kleine Prosa — „Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande“ und andere Prosa aus dem Nachlaß — Briefe — „Amerika“ — Novellen, Skizzen und Aphorismen unter dem Titel „Beschreibungen eines Kampfes“, insgesamt acht Bände.

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