Ingeborg Bachmann - © Foto: © Heinz Bachmann/Familienarchiv Bachmann

Ingeborg Bachmann: „Ich existiere nur, wenn ich schreibe“

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Die Ausstellung „Ingeborg Bachmann. Eine Hommage“ ermöglicht luzide Einblicke in das Lebenswerk dieser bedeutenden Dichterin.

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Die Ausstellung „Ingeborg Bachmann. Eine Hommage“ ermöglicht luzide Einblicke in das Lebenswerk dieser bedeutenden Dichterin.

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„[…] ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, wenn ich nicht schreibe. Wenn ich aber schreibe, dann sehen Sie mich nicht, es sieht mich niemand dabei.“ Diese Sätze aus Ingeborg Bachmanns berühmter Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises empfangen die Besucher auf einer weißen Stoffbahn im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek.

Man kann in der Ausstellung „Ingeborg Bachmann. Eine Hommage“ der Dichterin zwar nicht beim Schreiben zusehen, aber die Materialien – darunter viele Briefe, Typoskripte und Entwürfe, die erstmals zu sehen sind – zeigen die Spuren der Schreibarbeit und vermitteln Einblicke in den Alltag einer Autorin zwischen Schreibtisch und Präsenz im Literaturbetrieb. Ausgestellt sind Texte, Fotos und vereinzelt Objekte wie eine Packung der Zigarettenmarke „Nil“ oder Schreibmaschinen der Marke Olivetti. Und wir erfahren, dass Bachmann aus ökonomischen Gründen in den 1960er Jahren nicht nur auf einer Olivetti-Schreibmaschine getippt, sondern auch Werbetexte für die Marke verfasst hat. Möglich ist diese beeindruckende Präsentation, weil die Geschwister der Autorin ihren Nachlass der Nationalbibliothek als Schenkung überlassen haben, darunter rund 6000 Briefe an rund 1000 Empfänger.

Die Kuratoren Kerstin Putz und Michael Hansel haben die Ausstellung in thematische Bereiche gegliedert, die Lebens- und Werkgeschichte verknüpfen und dabei die Rezeption berücksichtigen. Aufgeschlagen werden die Kapitel Poesie, Orte, Krieg & Nachkrieg, Utopie, Geschlechterverhältnisse, Todesarten, Philosophie, Brief und Briefgeheimnis, Musik und Wahlverwandtschaften. Dabei gelingt es, mit einzelnen ausgewählten Objekten wichtige Themen zu fokussieren und mit medialen Hör- und Filmbeispielen zu ergänzen, darunter Gespräche mit Bachmanns jüngerem Bruder Heinz, der Biografin Ina Hartwig und der Autorin Sabine Gruber. Wie sehr die Autorin und ihre Texte für Künstler Inspiration waren, zeigen etwa Arbeiten von Anselm Kiefer oder Ausschnitte aus Ruth Beckermanns Film „Die Geträumten“. Immer wieder irritierend die Hörstation mit der Stimme Ingeborg Bachmanns, Gedichte rezitierend.

Überraschend ein Foto der bewundernd strahlenden 36-jährigen Bachmann, aufgenommen beim Treffen mit Hannah Arendt im Juni 1962 in New York. Daneben ein Brief an die „verehrte Hannah Arendt“, in dem sie zwei Monate später bekennt: „Ich habe nie daran gezweifelt, dass es jemanden geben müsse, der ist, wie Sie sind, aber nun gibt es Sie wirklich, und meine außerordentliche Freude darüber wird immer anhalten.“

Ingeborg Bachmann avancierte schon nach ihren ersten Auftritten bei der Gruppe 47, deren Preis sie bereits 1953 erhielt, und dem Spiegel-Coverfoto 1954 zur Starautorin. Sie hatte Liebesbeziehungen und Freundschaften zu vielen bekannten Künstlern und Intellektuellen, unter anderem zu Paul Celan, Hans Weigel, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson, Hans Werner Henze und Max Frisch, pflegte Kontakte zu Marieluise Kaschnitz und Nelly Sachs. Sie wusste sich auf dem literarischen Parkett zu inszenieren, ihren Erfolg als Lyrikerin konnte sie als Prosaautorin zu Lebzeiten nicht fortsetzen.

Dialektik von Sichtbarkeit und Verschwinden

Wie zentral Bachmann das Thema Geschlechterverhältnisse von ihrer Erzählung „Undine geht“ bis zu ihrem unvollendeten Romanprojekt „Todesarten“ und dem Band „Simultan“ verhandelte, zeigen zahlreiche Dokumente der Ausstellung. Sehr erhellend dazu ist das Gespräch mit Elfriede Jelinek aus dem Film „Der Fall Bachmann“, in dem sie über ihre Rezeption vor allem von „Malina“ und anderen Prosatexten spricht und Bachmanns Thematisierung einer ungeschützten, ungesicherten weiblichen Existenz betont. Es gehe in ihrer Literatur immer wieder um die Dialektik von Sichtbarkeit und Verschwinden.

Die beiden Ausstellungskuratoren präsentieren behutsam die Ambivalenzen des Mythos Bachmann und vermitteln luzide Einblicke in Werk, Leben und Rezeption, ohne Bachmanns Anspruch auf Diskretion zu verletzen. Zur Lektüre empfohlen ist der mit zahlreichen Abbildungen und instruktiven Aufsätzen wunderschön gestaltete Katalog, der die Themenfelder vertieft.

In ihrer „Hommage à Maria Callas“ – ein Typoskript davon ist in der Ausstellung zu sehen – schreibt Bachmann, dass Callas immer Künstlerin war: „Ecco un artista“. „Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt.“ Die Schlussworte ihres Essays über die Sängerin kann man als Selbsteinschätzung lesen: „Die Callas […] ist ein Mensch, ist unvertraut in einer Welt der Mediokrität und der Perfektion.“

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