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Spezialoperation und Frieden: Daniel Jurjew über die russische Sprache

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Das Regime will die russische Sprache von fremdländischen Einflüssen „reinigen“, dabei war für viele Schriftsteller des 19. Jahrhunderts Russisch nicht einmal die Erstsprache.

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Das Regime will die russische Sprache von fremdländischen Einflüssen „reinigen“, dabei war für viele Schriftsteller des 19. Jahrhunderts Russisch nicht einmal die Erstsprache.

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Über den altgriechischen Fabeldichter Äsop ist überliefert, dass er seinem Herrn für ein Gastmahl einmal das beste Fleisch vom Markt bringen sollte, und ein anderes Mal das schlechteste. Beide Male brachte er nichts als Zungen – denn die Zunge, also die Sprache, sei die Wurzel sowohl alles Guten als auch allerlei Schlechten. Ist die russische Sprache nun vom russischen Imperialismus zu trennen? In ihrer historischen Gewachsenheit ist keine Sprache von Gewalt zu trennen. Identifiziert man die russische Sprache mit der heutigen Russischen Föderation, übernimmt man die Position des Kreml.

Diese Sprache ist allerdings nicht nur Sprache der Russischen Föderation, sondern spielt auch außerhalb eine Rolle, etwa als Lingua franca in Teilen des postsowjetischen Raumes oder als Sprache zahlreicher Emigranten. Man spricht bisweilen von einem „Neusprech“ des Putin-Regimes, der nachhaltig die Denkweise der ihm Ausgesetzten zu beeinflussen drohe; hierzu scheint den Verantwortlichen jedoch die nötige sprachliche Gewandtheit zu fehlen. Keiner kann die Wortfindung „Spezialoperation“ ernst nehmen, wovon zum Beispiel der im russischsprachigen Internet kursierende gephotoshoppte Buchtitel „Spezialoperation und Frieden“ zeugt.

Zu den Stilblüten von Putins Propaganda gehört auch „Importersatz“, materielle und immaterielle Dinge, die an die Stelle von solchen aus dem Ausland treten sollen – nicht nur Parmesan und Cognac, gerade auch die (eher weniger von Sanktionen betroffene, zumal schon Jahrhunderte lang „importierte“) ausländische Kultur soll tendenziell ersetzt werden. Solch einen provinziellen Stumpfsinn leistete sich nicht einmal die Sowjetunion, die an Lenins Diktum festhielt, man könne erst dann zum Kommunisten werden, wenn man sein Gedächtnis mit der Kenntnis all der Reichtümer bereichert habe, die die Menschheit geschaffen habe.

Nun aber gehört die „Reinheit“ der russischen Sprache zu den „traditionellen Werten“, jenem vagen spießigen Ideologem, mit dem das Regime versucht, sein ideologisches Vakuum zu füllen. Auch hier bleibt es ungeschickt: Man will die russische Sprache von fremdländischen Einflüssen „reinigen“ und spricht selber von „Verbreitung von Fakes [englisches Wort auch im Original, Anm.] über die russischen Streitkräfte“.

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