Sylvia Plath - © Foto: Getty Images / Bettmann

Sylvia Plath: Das Beste und Seltsamste

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Vor 90 Jahren wurde die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath geboren. Ihr einziger Roman liest sich immer noch frisch, ihre Lyrik wird allzu oft vom Blick auf ihr Leben verstellt.

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Vor 90 Jahren wurde die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath geboren. Ihr einziger Roman liest sich immer noch frisch, ihre Lyrik wird allzu oft vom Blick auf ihr Leben verstellt.

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„Angeblich erlebte ich gerade die schönste Zeit meines Lebens“, heißt es in dem 1963 erschienenen Roman „Die Glasglocke“. Darin erzählt Sylvia Plath zunächst vom amerikanischen Traum, dass auch ein armes Mädchen vom Land etwas erreichen kann, wenn es tüchtig ist. Esther Greenwood bekommt ein Stipendium fürs College, sie gewinnt den Wettbewerb einer Modezeitschrift und für einen Monat einen Job samt Aufenthalt und Ausstattung in New York.

Die am 27. Oktober 1932 bei Boston geborene Lyrikerin schildert in ihrem einzigen Roman den gnaden- und rücksichtslosen Ausbau der Leistungsgesellschaft im Jahr 1953, die zunehmende Geschwindigkeit, die Party- und Medienwelt, das ständig Mehr- und Besserseinmüssen. Vieles kommt auch heute und hierzulande bekannt vor. „Wenn ich die Zeit mitlese, die seit der Entstehung des Romans und der darin beschriebenen Zeit und meinem Jetzt vergangen ist“, schreibt Alissa Walser in ihrem Vorwort zur deutschen Neuauflage 2013, „stelle ich fest, dieses Buch wurde am Punkt einer Entwicklung von ‚Vermassung‘ geschrieben, von der unser Heute über fünfzig Jahre entfernt ist. Was wir uns heute zumuten, war also damals schon mehr oder weniger deutlich.“

America! America!

Sylvia Plath’ scharfen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen zeigt auch der Prosaband „Die Bibel der Träume“ (Frankfurter Verlagsanstalt 2012). In „America! America!“ beschreibt Plath – die Familie des Vaters war deutscher, die der Mutter österreichischer Herkunft – pointiert das Bildungs- und Einbürgerungssystem öffentlicher Schulen in den USA ihrer Kindheit. „In diese Zwischendeckladung von Neu-Bürgern sollten durch freie Gemeindeschulen die Lehren von Freiheit und Gleichheit eingepflanzt werden. […] Jeden Morgen legten wir die Hand aufs Herz und gelobten Treue den Sternen und Streifen der amerikanischen Flagge, die als wesenlose Altardecke auf dem Lehrertisch lag. Und wir sangen Lieder von Pulverdampf und Patriotismus zu unmöglichen, schwankenden, viel zu hohen Melodien.“

Immer wieder im Fokus ihrer Werke: die Rolle der Frau. Sexuelle Freiheiten gibt es, so die Erfahrung der jungen Esther in „Die Glasglocke“, vor allem für den Mann. Die verbreiteten Ratschläge ignorieren und verachten die Gefühle der Mädchen. Der Platz ist zugewiesen. „Mir fiel auch ein, wie Buddy Willard einmal in düster wissendem Ton gesagt hatte, wenn ich erst Kinder hätte, würde ich anders denken, dann würd ich keine Gedichte mehr schreiben wollen. Deshalb überlegte ich mir, daß es vielleicht wahr sei, daß Heiraten und Kinderkriegen wie eine Gehirnwäsche war und daß man nachher nur noch benebelt herumlief, wie ein Sklave in einem totalitären Privatstaat.“

Esthers Mutter rät ihrer Tochter, sie solle doch Stenografie lernen. Das würde zur Rolle der Frau passen, allein: „Das Problem war, ich haßte die Vorstellung, Männern irgendwie dienstbar zu sein. Ich wollte selbst aufregende Briefe diktieren.“

Das eigene Schreiben, das Schreiben überhaupt, die Gesellschaft und ihre Machtstrukturen, in denen Männer immer über Frauen standen: das thematisierte Sylvia Plath auch in ihren Gedichten. Sie selbst versuchte beides zu leben: Familie und Literatur. Sie hatte sehr früh zu schreiben begonnen, verliebte sich in Ted Hughes, einen renommierten Lyriker, und heiratete ihn.

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