Das kulturoffizielle Österreich hat bislang vom 100. Geburtstag und 20. Todestag des indischen Dichter-Philosophen Rabindranath T a g o r e kaum Notiz genommen. Für den Herbst sind allerdings einige Würdigungsstunden angekündigt. Nun wich gewiß die etwas kritiklose Begeisterung, die die Zeit nach dem ersten Weltkrieg für diesen ersten europäisch verständlichen und übersetzbaren Boten indi- scher Weisheit empfand, heute einer mehr respektvollen Bewunderung für dessen Universalbegabung und Vermittlungskraft. Ganz rein aber äußert sich sein Wesen auch heute noch in der von direkter Missionswirkung freien Poesie, in der Lyrik und der eigenartigen Symboldramatik. Das „Theater im Zentrum“ war daher gut beraten, als es einen im übrigen auch weiter im Spielplan bleibenden Abend eben diesen beiden Elementen widmete. Der Wiener Ordinarius für Philosophie, Professsor Dr. Leo Gabriel, übernahm es, in einem einleitenden Vortrag die Gleichgestimmt- heit der Tagoreschen Philosophie mit wichtigen Denkansätzen unserer Tage herauszuarbeiten. Nach Liedern indischer Studentinnen und der Rezitation einiger für den Poeten signifikanter Gedichte, für die Alice Z I a t n i k die richtige, schwebendfließende Stimmlage fand, folgte Tagores Bühnenspiel „Das Postamt“. Die im f Zeitstil der „0-Mensch“-Jahre nach 1918 I etwas überladene Übertragung Landauers Ü and der tachBann verführte den sympa- thisch diskreten Regisseur Hans Holl- ä mann nicht zu phinkVoller Pathetik. Er machte aus der Not einer kleinen, in der Regel nicht mit solchen Aufgaben befaßtenBühne, eine echte Tugend und betonte das i Laienspielhafte stärker als die differenziertePsychologie. Ulli Philipp gelang es, in s der Rolle des Knaben Amal, die ja einst a von den größten Schauspielerinnen ver- körpert wurde, dieser betonten Schlichtheitdennoch das Air ihrer künstlerisch wach- ‘ senden Persönlichkeit zu verleihen.
