Lob der Vielfalt neuer improvisierter Musik

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Um spirituelle Erfahrungen zu machen, ist man nicht von Religion abhängig. Musikalische Erfahrungen schaffen es durchaus, einen seiner Erdenschwere zu entheben. Die australisch-norwegische Band "The Necks" entwickelt ihre eigene Form von Minimal Music - das Trio war für eines von mehreren großartigen Konzerten verantwortlich, die von Donnerstag bis Sonntag im Rahmen des 38. Internationalen Jazzfestivals gegeben wurden.

"The Necks" fangen langsam und bedächtig an, um in einem behutsam fortschreitendem Prozess der Improvisation in kleinen Schritten Verlauf und Richtung einer Vorgabe zu verändern. Nach und nach nimmt die Intensität zu, unaufdringlich stellen sich Klangverschiebungen ein, jeder Augenblick ein neuer Rangierbahnhof auf der Strecke der akustischen Unternehmungen. Der Pianist Chris Abrahams gibt ein Motiv vor, dem sich Lloyd Swanton (Bass) und Tony Buck (Schlagzeug) anschließen, und dann brauchen sie eine Stunde für ihr Steigerungsprojekt mit meditativem Einschlag. Der Anfang lässt den Hörer nicht abschätzen, wo er hinkommen wird. Am Ende ist man der Zeit zurückgegeben, aus deren Kontinuum man vorübergehend herausgenommen worden ist.

Schwerpunkt Norwegen

Norwegen bildete den Schwerpunkt der Programmauswahl des Jazzfestivals. Deshalb passte Sinikka Langeland mit ihrer Band gut ins Programm. Sie spielt das finnische Nationalinstrument Kantele, eine Art Zither, die in traditioneller Volksmusik zum Einsatz kommt. Tief in die nordische Sagenwelt steigt diese Musikerin ein, und bevor sie, die Wald und Geister beschwört -selten trifft ein Vokabel den Sachverhalt so genau -, ins allzu Feenhafte entschwebt, holt sie ihre Band, knochenharte, hemdsärmelige Jazzer allesamt, auf den Pinzgauer Boden zurück.

Am Eröffnungsabend kommt einem Musiker jeweils das Privileg zu, mit einer nach eigenen Vorstellungen zusammengestellten Band ein eigenes Projekt zur Welturaufführung zu bringen. Gerald Preinfalk stellte ein Ensemble zusammen, in dem Musiker aus dem Umfeld des Klangforums Wien mit Jazzmusikern aufeinandertreffen. Eine besondere Herausforderung bedeutete es, die brasilianische Rhythmusgruppe, die sich nicht aufs Notenlesen versteht, mit den Intellektuellen der Neuen Musik eine gemeinsame Basis finden zu lassen. "Die einen durften nicht unterfordert, die anderen nicht überfordert sein", sagt Preinfalk. Seine Komposition "Prine-Zone" war denn auch eine Gratwanderung, fühlten sich doch die einen für den eruptiven Überschwang zuständig, die anderen für die elegisch gedämpfte Zurückgenommenheit. Dazwischen die griechische Sängerin Savina Yannatou, die sich ihren eigenen Weg bahnte und deren Stimme zwischen Kraftmeiern und Klagtüftlern daran erinnerte, dass Musik und Spiritualität gut zusammengehen. - Die jüngste Ausgabe des Jazzfestivals war ein Lob der Vielfalt, die improvisierte Musik heute ausmacht.

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