Lüstern ohne Liebestrank

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Gelingen und Scheitern am Tiroler Landestheater: Kammeroper von Thomas Adès, Donizettis "Liebestrank" und konzertanter Berlioz.

Es beginnt mit einem süffigen Tango, der zuletzt als ausgefranste Erinnerung wiederkehrt. Doch da ist es zu spät für die Lady, da haben sich Glück und Glamour verflüchtigt wie ihre Männer und Moneten. Mit einer bewegenden Arie verabschiedet sich die letzte Diva von ihren erotischen Schauplätzen.

Thomas Adès, der junge, hochgelobte britische Komponist, ist mit seiner Kammeroper "Powder her Face" am Samstag in den Kammerspielen des Tiroler Landestheater gelandet. Das brillante Stück wird in einer rundum gelungenen, schräg-ironischen Inszenierung umgesetzt.

Schräge Kammeroper

Adès unbeschwerte, unbelastete Musik führt in ihrem gestischen Charakter direkt auf die Bühne. Farbsprühend und mitunter skurril pendelt sie zwischen Expressionismus, Kurt Weill und Astor Piazzolla, zwischen Lachperlen und Introvertiertheit. Den vier Sängern schenkte er melismenreiche, dankbare Partien. Adès komponiert nicht einfach, doch leicht zugänglich.

Das solistisch besetzte kleine Orchester bewältigt die instrumentalen Zumutungen bravourös, Dirigent Dorian Keilhack hat hier fabelhaft gearbeitet, und dankenswerterweise mit englischsprachigen Sängern. Jennifer Chamandy ist außerordentlich in der Rolle der Herzogin von Argyll, die mit ihren sexuellen Eskapaden die Regenbogenpresse fütterte. Debra Fernandes stellt als Maid ihren prachtvollen Koloratursopran vor und bewältigt scheinbar mühelos exzessive Schwierigkeiten.

Vor schwarzem Glitzerhintergrund sagt eine rote Zunge als überdimensionale Lustwiese, wie die lüsterne Lady zur Sache und zu ihren Skandalen kommt (Ausstattung: Viva Schudt, Daria Kornysheva). Das erleichtert Regisseur Thomas Oliver Niehaus die Sache. Er geht die wahre Geschichte, die sich in acht Szenen von 1935 bis 1990 erstreckt, mit Witz und dosierten Pointen an, im Wesen nah am Komponisten, der seine Oper populär, verständlich und dennoch geschlossen haben will, in phantasievoll spielender Konzentration auf die Wort-Ton-Intimität.

Am folgenden Abend wurde im Großen Haus des Tiroler Landestheaters Gaetano Donizettis "L'elisir d'amore" in der Inszenierung und Ausstattung von Ultz ausgebuht.

Zu Recht, denn die Verlegung der Geschichte in den Summer of Love von 1967 mit wild kostümierten Hippiehorden und kiffenden Blumenkindern am Klosett hat weder Witz noch Intelligenz oder Charme. Leif Klinkhardt am Pult des Tiroler Symphonieorchesters ist von der Italianità der Partitur weiter entfernt als man es in Innsbruck gewöhnt ist. Von Marwan Shamiyeh (Nemorino), Sébastien Soules (Belcore) und Yury Shklyar (Dulcamara) wird rollendeckend gesungen, Anja Scholz ist als Adina überfordert.

Donizetti unter den Hippies

Das war ein Absturz nach der ganz zauberhaften Landestheater-Aufführungsserie von Hector Berlioz' letzter Oper "Béatrice et Bénedict", die konzertant in Kostümen geboten wurde und unter der musikalischen Leitung von Georg Schmöhe mit Brigitte Fassbaender als grandioser Erzählerin voll Zartheit, Schmelz und leiser Ironie erblühte. Michelle Breedt als Béatrice und Juliane Banse als Héro führten mit introvertierten Seelentönen und Spaß das vorzügliche Ensemble an.

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