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Taugt Thomas Bernhards letzter großer Roman "Auslöschung. Ein Zerfall", sein "Opus Magnum" zum Schauspiel? Das Theater in der Josefstadt ging gemeinsam mit dem für seine Romanadaptierungen bekannten Regisseur Oliver Reese das wagemutige Experiment ein, 650 Seiten Familien- und Geschichtsabgründe auf einen Theaterabend zu reduzieren. Das Experiment scheiterte, aber dank famoser Schauspielleistung immerhin sehr lustvoll.

Udo Samel, Wolfgang Michael, Christian Nickel und Martin Zauner teilen sich die Rolle des Franz-Josef Murau, der in seine Heimatgemeinde Wolfsegg zurückkehren muss, da Eltern und Bruder verunglückten. Nun ist er der Alleinerbe eines riesigen "Besitzklumpens" mit fragwürdiger Provenienz. Wolfsegg steht als Sinnbild für das "Haus Österreich" und der darin vergrabenen NS-Mitschuld. Die unrühmliche Vergangenheit dieses Ortes will Murau vollständig auslöschen und den Opfern der Gräueltaten als bedingungsloses Geschenk übergeben.

Abrechnung und Gegenentwurf

Reese lässt neben dem vierfachen Murau auch dessen Horrorfamilie (alle gespielt vom vierköpfigen Ensemble) vor den meist geschlossenen Theatervorhang treten. Das bringt einige Lacher, etwa wenn Samel im Dirndl über die Bühne hüpft, sich Zauner in Rage spricht oder die verhärmte Mutter den Sohn tadelt. Dass am Ende fast ausschließlich Muraus Albtraum-Weggefährten auftreten dürfen, macht das Problem des Abends deutlich. Bernhards epischer Monolog ist sicherlich als eine satirische Abrechnung mit einem abgestumpften und bornierten Österreich zu verstehen, es liefert darüber hinaus aber auch einen Gegenentwurf, in dem Menschen wie Ingeborg Bachmann oder die Oberrabbiner Akiba und Paul Chaim Eisenberg stellvertretend für ein anderes Österreich-Bild fungieren - wichtige Figuren aus dem Roman, die in dieser eindimensionalen Bearbeitung keinerlei Platz finden. Stattdessen bleibt ein verstümmelter Textkorpus zurück, der nichts weiter als viel Klamauk und ein wenig Bernhard-Granteln übriglässt.

Interessanter als das Bühnengeschehen sind da schon die Reaktionen aus dem Publikum, Bernhard fordert immer noch heraus, das ist am Premierenabend spürbar. Hüsteln, lautes Auflachen, kleine spontane Interaktionen zwischen Schauspielern und Zuschauern zeigen einmal mehr, dass Bernhards Worte immer noch Spannung erzeugen.

Auslöschung

Theater in der Josefstadt 5., 6., 9., 10., 11. März

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