Machtwechsel an den Weltmeeren

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Am Wasser siedelt auch Thomas Seifert, Journalist und stellvertretender Chefredakteur der Wiener Zeitung, den größten geopolitischen Transitionsprozess unserer Zeit an. In seinem eben erschienenen Buch "Die pazifische Epoche" beobachtet er, wie sich rund um den Altantischen und den Pazifischen Ozean wirtschaftliche Mächte und Einflussbereich in Richtung Osten verschieben. Eine Ära der atlantischen Vorherrschaft wird, argumentiert er, von einer pazifischen Epoche abgelöst.

Den Geburtstag der atlantischen Epoche legt Seifert genau fest: Der 12. Oktober 1492, als Christoph Kolumbus auf den Bahamas landete, und die "Neue Welt" entdeckte. Kolonialisierung und Industrielle Revolution machten Europa zum reichsten Kontinent der Erde. Erst nach den Weltkriegen gab Europa "die Stafette der Macht" an die Vereinigten Staaten weiter, eine weitere atlantische Macht.

Wann die pazifische Epoche begann, lässt sich nicht so exakt datieren. Mit der Unabhängigkeit Indiens? Dem Sieg der Kommunisten in China? Dem VietnamDebakel Frankreichs und der USA? Eine Vielzahl an Entwicklungen der letzten Jahrzehnte führt dazu, dass das Kräfteverhältnis sich ändert. Und zwar massiv: Der jüngste World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds verkündete im vergangenen Oktober, dass China 2014 die USA als größte Wirtschaftsmacht abgelöst hat, und weiter davonziehen wird. Künftig könnte die chinesische Währung den Dollar als Leitwährung überholen.

Vermeintlich fern

Auf der Suche nach Antworten, wie es dazu kam und was das für die Welt bedeutet, navigiert Seifert auf 300 Seiten durch die Vergangenheit, exzerpiert die im Westen beharrlich vernachlässigte Geschichte Asiens und schippert durch asiatische Metropolen der Gegenwart. Er trifft Blogger und Autoren in China, und Bourgeois Bohémiens in Seoul. Er streift durch die Szeneviertel Mumbais, wo man alles tut, um die Gegend ausländisch erscheinen zu lassen, wo Konsum als Lebenskonzept die alten Werte des antimaterialistischen Gurus Mahatma Gandhis abgelöst hat.

Seiferts Buch ist aber nicht nur eine Statusbeschreibung, sondern auch ein Wegweiser. "Wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann" verspricht schon der Untertitel: Europa muss eine eigenständige Asien-Politik entwickeln und den Südosten und Osten des Kontinents infrastrukturell stärken. Es muss die Krise des Finanzkapitalismus lösen, indem es ihn zähmt. Und es muss Demokratie mit neuem Leben füllen: "Der Westen muss die Welt wieder von der Überlegenheit von Demokratie und Marktwirtschaft überzeugen. Das kann aber nur funktionieren, wenn die real im Westen gelebte Demokratie und Marktwirtschaft auch glaubwürdig sind und nicht zu Postdemokratien verkommen und der Markt nicht zu einer Arena der Gier pervertiert."

"Die pazifische Epoche" ist dicht, aber flott und unglaublich wichtig. Selten gelingt es so ungezwungen, Betroffenheit und Interesse für Geschehnisse zu erwecken, die eben nur vermeintlich fern sind.

Die pazifische Epoche

Wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann.

Von Thomas Seifert, Deuticke 2015.304 Seiten, gebunden, € 22,60

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