Werbung
Werbung
Werbung

Der japanische Klassiker "Yotsuya Kaidan" in einer klinisch-kalten Festwochen-Inszenierung.

Die moderne Hölle: eine U-Bahn-Station in Japan. Geschwind entpuppt sie sich als Geisterstation, wo schon lange keine Züge mehr durchfahren, geschweige denn stehen bleiben, um die auf ihr Schicksal Wartenden in die Erlösung zu führen. "Yotsuya Kaidan" heißt der aktualisierte japanische Grusel-Klassiker aus dem Jahr 1825. Samurai, die ihre Berechtigung verloren haben, meutern und morden, skrupellos und ohne Auftrag.

Der Schweizer Regisseur Jossi Wieler, bekannt für seine ästhetisch ausgefeilten Arbeiten, wagte sich an die Inszenierung des traditionsreichen Kabuki-Dramas. Mit dem Dramaturgen und Japanologen Andreas Regelsberger strich er das Figurenpersonal von fünfzig auf zwölf Darsteller ein und überließ die Visualisierung archaischer Gewalt-und Horrorszenen der Phantasie des Zusehers. Die Welt von früher, als in Japan noch eine ständische Ordnung existierte, repräsentiert allein die Erzählerin (Kazuko Yoshiyuki) im traditionellen Kimono. Unbeteiligt kommentiert sie das Geschehen, die Dutzend-Variationen abscheulicher Gräueltaten.

Das Ensemble Theater X Tokyo zelebriert höchst artifiziell die bekannte Gespenstergeschichte auf Kazuko Watanbes eiskalter Bühne. Ein Aufzug liefert Zuhälter, Prostituierte, Diener, die Herren sein wollen, Giftmischerinnen und beschäftigungslose Samurai ins Unterirdische. Der haltlose und unmoralische Iemon, der seine Frau (Kiyomi Takayama) vergiftet, um sich in ein reiches Haus einzuheiraten, wird bis zum Ende vom Geist seiner Frau verfolgt - in Andeutungen teilt sich die Handlung mit.

Für unsere Sehgewohnheiten erschließt sich das japanische Schauermärchen allerdings nicht durchgängig. In dieser klinisch kalten Inszenierung wischt Wieler alle Emotionen sanft weg. Den stilisierten japanischen Darstellungskodex durchbricht bisweilen der bekannte Peter-Brook-Schauspieler Yoshi Oida mit natürlichem Ton.

Wieler experimentiert auf höchstem theatralischem Niveau, das verdient Beachtung. Der getragene Rhythmus sowie die Hals verrenkende Lektüre der deutschen Obertitel machen den Abend aber mächtig mühsam.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung